Unzumutbarer Lärm durch Schießstätte im Dorfgebiet?
Auf der Suche nach Abgeschiedenheit und Ruhe, zog eine Familie vor zehn Jahren nach Labuttendorf in der Südsteiermark. Für die Kinder ist die Lage am Waldrand ein Paradies – einzig der örtliche Jagschutzverein stört die Idylle. Nach Aussagen des Familienvaters fanden im Vorjahr an sieben Tagen Schießveranstaltungen statt, bei denen täglich rund 3.000 Schuss abgegeben worden seien. Obwohl die Schiessstätte fast einen Kilometer vom Grundstück der Familie entfernt liegt, komme es dadurch zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung. Eine Lärmmessung ergab knapp 70 dB(A). Als Gegenmaßnahme händige der Jagdschutzverein den betroffenen Nachbarn vor den Schießveranstaltungen lediglich Ohrstöpsel aus.
Aus Sicht der Volksanwaltschaft ist abgesehen vom Lärm vor allem die Nutzung des Areals als Schießstätte problematisch, da diese nicht der Widmung „Bauland-Dorfgebiet“ entspricht. Auch die Bauten auf dem Grundstück seien nicht genehmigt und müssten daher entfernt werden. Nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 2010 sind Dorfgebiete Flächen, die für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Nutzung in verdichteter Anordnung bestimmt sind. Wohnbauten und sonstige Nutzungen sind zulässig, wenn sie den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohnern dienen und keine widersprechenden Belästigungen verursachen.
Der Bürgermeister vertritt die Meinung, dass die Schießveranstaltungen Dorffestcharakter hätten, die Gemeinschaft im Dorf fördern würden und daher widmungskonform seien. Der Lärm sei außerdem ortsüblich und die Maßnahme, Ohrstöpsel vor den Schießveranstaltungen auszuteilen, wäre ausreichend. Dieser Auffassung widerspricht die Volksanwaltschaft.
Für Volksanwältin Gertrude Brinek ist das Vorgehen der Gemeinde indiskutabel: „In der Bewertung Dorffest oder nicht, ist nicht die Meinung einzelner Personen ausschlaggebend. Es gelten objektive Maßstäbe. So will es auch das Gesetz. Entscheidend sind die Bedürfnisse eines nennenswerten Anteils von im Dorfgebiet ansässigen Bewohnerinnen und Bewohnern. Wenn sich ein paar Menschen auf das Schießen verständigen und eine andere Menge schaut zu, wird daraus noch kein genehmigtes Dorffest. Die Idee, Ohrstöpsel als Maßnahme gegen Lärmbelästigung zu verteilen, finde ich – gelinde gesagt – zum Schmunzeln.“ Infolge der Beschwerde des Anrainers und der Intervention der Volksanwaltschaft erließ der Bürgermeister einen Beseitigungsauftrag für die meisten Bauten auf dem Areal.
Auch seitens der steirischen Aufsichtsbehörde wurde der Gemeinde mitgeteilt, dass für sämtliche bauliche Anlagen (mit Ausnahme eines überdachten Aufenthaltsplatzes) ein Beseitigungsauftrag zu erlassen ist. Mittlerweile wurden dieser vom Bürgermeister erteilt.
„Die Volksanwaltschaft fordert objektive Prüfungen – auch im Hinblick auf die Auswirkung des Schießens auf die Umwelt – und die vollständige Vollziehung des Beseitigungsauftrages. Zu überlegen wäre, ein Widmungsverfahren für eine allfällige Sonderwidmung als Schießstätte einzuleiten“, so Volksanwältin Brinek abschließend.
Nachgefragt: Geruchsbelästigung durch einen Schweinemastbetrieb
Ein Ehepaar im südsteirischen Pistorf kämpfte jahrelang gegen den Gestank eines Schweine- mastbetriebs auf dem Nachbargrundstück. Der Betrieb besteht seit mehr als 100 Jahren und ist stetig gewachsen. Mittlerweile hält der Bauer knapp 500 Schweine im zweistöckigen Stall – vollständige Einreichunterlagen oder Aufzeichnungen zu den baulichen Adaptierungen gibt es jedoch nicht. Eine kostspielige Permanentlüftung würde den Geruch reduzieren, doch der Betreiber sei nicht bereit, diese zu installieren.
Der Schweinebauer suchte im Jahr 2010 selbst um eine nachträgliche Baubewilligung an. Dieses Verfahren wurde über Jahre geführt, bis letztendlich die Steiermärkische Landesregierung die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung im August 2012 an die Gemeinde zurück verwies. Ein neues Gutachten wurde in Auftrag gegeben, um Windrichtung und -geschwindigkeit zu messen, mit dem Ergebnis, dass der Grenzwert sogar unterschritten werde. Ein harter Schlag für die betroffenen Anrainer. Volksanwältin Brinek forderte die Gemeinde in der Studiodiskussion auf, das seit Jahren laufende Bewilligungsverfahren endlich abzuschließen und Klarheit zu schaffen.
Viereinhalb Jahre nach der Sendung, war das "Bürgeranwalt-Team" wieder in der Südsteiermark, um zu sehen, was sich seither verändert hat. Vor kurzem hat der Gemeinderat eine Entscheidung getroffen. Der Berufung der Anrainer wurde zum Teil stattgegeben, indem ein Nutzungsverbot für vier Ställe im Erdgeschoss ausgesprochen wurde. Doch damit ist der Rechtsstreit noch nicht zu Ende: Der Mastbetreiber hat gegen diese Entscheidung Einspruch erhoben. Das Ehepaar ist inzwischen aus Verzweiflung weggezogen, hat das Haus vermietet, wünscht sich Ruhe, Rechtssicherheit und eine moderne Lüftungsanlage.
Die Volksanwaltschaft wird an dem Fall dranbleiben: „Das ist inzwischen eine unendliche Geschichte und ein rechtliches Tohuwabohu. Nach jahrelangem Hin und Her hat der Bürgermeister endlich eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen. Diese wird in den nächsten Tagen rechtskräftig. Aber die Gemeinde, der Betreiber selbst und auch die Anrainer wissen bis heute nicht genau, welche Teile bewilligt, welche bewilligbar und welche nicht bewilligt sind. Hier liegt ein schweres Versäumnis der Behörde vor. Die Lösung kann nicht sein, dass die Anrainer wegziehen. Es ist Aufgabe der Behörde, die Rechtmäßigkeit solcher Bauwerke zu überprüfen,“ erklärte Volksanwältin Brinek.
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