Mangelhafte Barrierefreiheit in den Wiener U-Bahnen
Frau S. lebt in einem Pensionisten-Wohnhaus nahe der U-Bahn-Station Unter St. Veit und ist seit einem Schlaganfall auf einen Rollstuhl angewiesen. Während die Wienerin selbstständig in die V-Wägen der U-Bahn gelangen kann, ist es ohne die Hilfe anderer Fahrgäste für sie unmöglich in die älteren Modellen, die sogenannten „Silberpfeile“, einzusteigen. Diese bieten keine Überbrückungen für den Spalt zwischen U-Bahn und Bahnsteig, eine Barriere, die für Menschen im Rollstuhl schwierig zu überwinden ist.
Um lange Wartezeiten an der Haltestelle zu vermeiden, ist es für Frau S. notwendig, bereits im Vorfeld erkennen zu können, wann V-Wägen in die Station einfahren. Daher benutzt sie die online Fahrplanauskunft der Wiener Linien „i-tip“. Während beim Straßenbahnnetz die Anfahrtszeiten sämtlicher Garnituren in Echtzeit angezeigt werden, bietet die App bei den
U-Bahnen – trotz Auswahl eines Zeitfensters von über einer Stunde – nur die Daten der nächsten beiden einfahrenden Züge an. Zudem wird auf „i-tip“ neben sämtlichen U-Bahnen in der Rubrik „barrierefrei“ ein Rollstuhl-Piktogramm angezeigt, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Silberpfeil oder einen V-Wagen handelt.
Auf Nachfrage der Volksanwaltschaft, gaben die Wiener Linien an, dass es sich sowohl bei den V-Wägen, als auch bei den Silberpfeilen um Niederflurfahrzeuge handle, die auf das Bahnsteigniveau abgestimmt seien. Da auch die Silberpfeile von vielen mobilitätseingeschränkten Personengruppen (Rollator, Kinderwagen,…) benutzt werden können, werde das Rollstuhl-Piktogramm eingesetzt. Zudem sollen alle Züge, die künftig gekauft werden, vollständig barrierefrei sein. Diese werden schrittweise ältere „Silberpfeile“ ersetzen, die teilweise bereits seit den 70er-Jahren unterwegs sind.
„Verkehrsunternehmen müssen seit Jahren barrierefrei und behindertengerecht sein, dazu verpflichten sie die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz. Barrierefrei bedeutet, ohne fremde Hilfe das Verkehrsmittel benutzten zu können. Das ist in Wien bei der U-Bahn eindeutig nicht der Fall“, so Volksanwältin Gertrude Brinek. Auch die V-Wägen seien nur bedingt barrierefrei, da je nur der erste und der letzte Wagen des Zuges mit Rampen ausgestattet sind.
Im Hinblick auf die verwirrende Verwendung des Rollstuhl-Piktogramms planen die Wiener Linien bis 2020 technische Anpassungen, damit angezeigt werden kann, wann welcher Zug in die Station einfährt.
„Die Ankündigung, dass die Umsetzung irgendwann kommen wird, klingt ein bisschen nach Vertröstung. Das Rollstuhl-Piktogramm zu verwenden, obwohl Rollstuhlfahrer nicht die Möglichkeit haben die Wägen selbstständig zu betreten, sorgt für Verwirrung. Ich will für Frau S. und für viele, viele andere auch, einen barrierefreien Zugang, eine barrierefreie Benutzbarkeit und für jene Wägen, in denen Barrierefreiheit bereits gegeben ist, eine ordentliche Ankündigung“, fordert Brinek.
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