Bürgeranwalt nachgefragt

22. Juli 2012

Staatsbürgerschaft entzogen

 

Ein Oberösterreicher wurde vor 65 Jahren in Wels geboren und wohnt seit Jahrzehnten in Stadl-Paura. Seinen Wehrdienst hat er abgeleistet und glaubte bis vor kurzem auch, Österreicher zu sein. Im November 2007 war aber ein Fehler zutage gekommen, welcher der Bezirkshauptmannschaft Wels im Jahre 1965 unterlaufen war. Der Pensionist war nach dem Zweiten Weltkrieg als Minderjähriger nicht eingebürgert worden, damals war von der Bezirkshauptmannschaft Wels jedoch ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt worden. Nach dem Tod der Mutter wurde der Pass des Beschwerdeführers von der Behörde eingezogen, seither gilt er als staatenlos.

Volksanwältin Stoisits vertrat in der Sendung vom 10. Dezember 2011 den Standpunkt, dass die zuständige Behörde damals einen Fehler gemacht habe und die Politik diesen Fehler nun negiere. Sie plädierte dafür, dass die betroffenen Personen in solchen Fällen unbürokratisch eingebürgert werden könnten und forderte als Grundlage eine dementsprechende Gesetzesinitiative.

Nun wurde nachgefragt: Sektionschef Dr. Mathias Vogl bestätigte, dass in Härtefällen ein erweiterter Zugang zur Staatsbürgerschaft ermöglicht werden sollte, also vom Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel oder auch von den nicht unerheblichen Gebühren im Zusammenhang mit der Staatsbürgerschaftsverleihung abgesehen werden könnte. Das Bundesministerium für Inneres werde in den nächsten Wochen gemeinsam mit Ländern und Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine Lösung erarbeiten, welche hoffentlich im Herbst in Begutachtung geschickt werden könne.

Volksanwältin Stoisits begrüßte diese Entwicklung und verwies erneut auf Beispiele gesetzlicher Regelungen in der Schweiz und Deutschland, welche für Lösungen in diesem und ähnlich gelagerten Fällen herangezogen werden könnten.

 

Staatsbürgerschaft: Einkommenshürde

 

Der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft einer seit 1976 in Österreich lebenden gebürtigen Uruguayerin wurde wegen Bezuges von Sozialhilfe abgewiesen. Die 37-Jährige leidet unter einer starken psychischen Beeinträchtigung, einer geregelten Arbeit kann sie auf Grund ihrer Behinderung von mehr als 50% nicht nachgehen. Deshalb bezieht sie seit 2008 die bedarfsorientierte Mindestsicherung und erhöhte Familienbeihilfe – Grundlage für den negativen Bescheid der Wiener Landesregierung, welche den Antrag der jungen Frau abweisen musste. Die Behörde verfügt seit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 über keinerlei Ermessensspielraum, welcher eine Verleihung erlauben würde. Bis dahin wäre es möglich gewesen, dem Antrag trotz Bezugs von Sozialhilfe aufgrund einer unverschuldeten Notlage, in der die Beschwerdeführerin wegen ihrer Behinderung zweifellos ist, stattzugeben.

Volksanwältin Stoisits stellte in der Sendung vom 11. Februar 2012 einen Missstand in der Politik fest und forderte eine Gesetzesänderung, auf Grundlage derer Härtefälle wie dieser positiv beschieden werden könnten.

In der Nachgefragt-Sendung argumentierte Dr. Vogl als Vertreter des Innenministeriums, dass für den Erwerb der österreichischen Staatbürgerschaft ausreichende finanzielle Mittel nachzuweisen wären – im Falle einer Einzelperson seien dies rund 800 Euro, bei Ehepaaren etwa 1.200 Euro im Monat. Der Bezug von Sozialhilfe dürfe hierbei nicht eingerechnet werden, da das Staatsbürgerschaftsrecht an Menschen verliehen werden solle, die wirtschaftlich auf eigenen Beiden stünden. Besonders berücksichtigungswürdige Härtefälle gelte es hier jedoch herauszufiltern – Einzelfälle von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, welche am Erwerbsleben nicht teilnehmen können, solle der Erwerb der Staatbürgerschaft im Rahmen einer Gesetzesänderung im Herbst ebenfalls ermöglicht werden.

Auch in dieser Frage zeigte sich die Volksanwältin erfreut über die Unterstützung des Innenministeriums im Sinne einer Lösung für extreme Härtefälle – wie im Fall der jungen Uruguayerin oder in Beispielfällen anerkannter Flüchtlinge, welche als Folteropfer Behinderungen fürs Leben davon getragen hätten, in Folge derer sie nicht auf eigenen Füßen stehen könnten – ihnen aber aus eben diesem Grund der Zugang zur Staatbürgerschaft verwehrt bleibe.   

 

Staatsbürgerschaft unehelicher Kinder

 

Ein in Österreich geborenes Kind eines Österreichers ist auch österreichischer Staatsbürger – könnte man meinen. Dem ist aber nicht so, wie zwei beispielhafte Fälle aus dem Kompetenzbereich von Volksanwältin Stoisits in der Sendung vom 26. Mai 2012 deutlich machten. Beide Fälle ließen die Volksanwältin ihre Kritik an der Diskriminierung von unverheirateten Paaren und unehelichen Kindern erneuern. Auch hier handle es sich um einen Missstand im Gesetz bzw. in der Politik – um die vorherrschende Diskriminierung aufzuheben wären Lösungen vonseiten des Bundesministeriums für Inneres und des Gesetzgebers gefragt.

Dass der Vater eines Kindes Osterreicher ist, muss also nicht automatisch heißen, dass das Kind auch die österreichische Staatsbürgerschaft bekommt. Kraft Abstammung geht die Staatsbürgerschaft bei unehelichen Kindern nur von der Mutter auf das Kind über, wie im Falle zweier Beschwerdeführer aus Wien:

Herr E. ist Österreicher und im März dieses Jahres Vater geworden, seine Partnerin ist Italo-Argentinierin. Beide leben und arbeiten in Wien, deswegen möchten die Eltern, dass ihr Sohn auch die österreichische Staatsbürgerschaft erhält. Die einfachste und praktikabelste Lösung wäre die Eheschließung – aus reiner Notwendigkeit wolle Herr E. diese Entscheidung aber nicht treffen. Finanzielle Notwendigkeiten treten jedoch immer mehr in den Vordergrund: das Wochengeld läuft aus und obwohl die junge Familie Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe hätte, können diese bis Erhalt des längst beantragten, aber immer noch nicht eingelangten, italienischen Passes des Kindes nicht gewährt werden. Gemeinsam mit dem Baby die Familie in Italien oder gar Argentinien zu besuchen ist bis auf weiteres nicht möglich. 

Im zweiten Beschwerdefall ist die Mutter Bosnierin, hat sich aber einem über ein Jahr dauernden Staatsbürgerschaftsverfahren unterzogen. Auch wenn das Kind mittlerweile durch die Einbürgerung der Mutter ebenfalls österreichischer Staatsbürger geworden ist – an der Forderung nach einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen wollte der österreichische Kindesvater weiter festhalten. 

Vor dem Hintergrund des aktuell diskutierten und im Wandel begriffenen Familienbegriffs empfand Sektionschef Dr. Vogl die vorgebrachte Kritik im Zusammenhang mit den beiden Fällen als absolut nachvollzierbar. Auch hier sei man bemüht eine Lösung zu finden – wesentlicher Punkt aus Sicht des Ministeriums wäre allerdings, dass in solchen Fällen die Vaterschaft durch ein gerichtliches Feststellungsurteil oder durch DNA-Test klar festgestellt werden müsse.

Volksanwältin Stoisits bekräftigte, dass die jetzige Regelung im wahrsten Sinne aus dem vorigen Jahrhundert stamme und zeigte sich erfreut, dass es auch in diesen Fällen eine Lösung für glückliche und moderne Familien geben werde.

 

Landschaftsschutzgebiets-Verkleinerung: Naturschutz vs. Wirtschaft

 

Der Bürgeranwalt berichtete im April 2011: Naturschützer kämpften um den Erhalt eines Auwaldes im Süden von Salzburg. Zwei dort ansässige Firmen wollten expandieren und dazu sollte das Landschaftsschutzgebiet verkleinert werden. Beide Firmen versprachen sich von der Ausweitung eine Arbeitsplatzvermehrung. Der Vertreter des Österreichischen Naturschutzbundes kritisierte die Ausbaupläne der Salzburger Leitbetriebe und warf vor, dass Alternativvorschläge ignoriert worden wären. Alarmierend wäre für ihn auch die Tatsache gewesen, dass ein Naherholungsgebiet mit geschützten Tier- und Pflanzenarten durch die bestehenden Ausbaupläne gefährdet würde. Außerdem hätte keine Interessensabwägung stattgefunden und die Politik einseitig zu Gunsten der Wirtschaft entschieden. Kritik übte auch die Volksanwältin an der intransparenten Vorgehensweise der Behörden und an der Tatsache, dass wirtschaftliche Interessen vor den Naturschutz gestellt worden wären.

Das naturschutzrechtliche Verfahren in dieser Sache ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Der Sachverständige im Amt für Stadtplanung und Verkehr des Magistrates Salzburg kam in einer vorläufigen Stellungnahme gegenüber der Volksanwaltschaft zwar zu dem Schluss, dass das Projekt eine „deutlich mehr als geringfügige Beeinträchtigung der tierischen und pflanzlichen Lebensräume“ mit sich bringe. Trotzdem stellte die Stadt Salzburg einen positiven Bescheid aus, womit die Genehmigung für den geplanten Ausbau bzw. für die Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes erteilt wäre. Gegen diesen Bescheid hat nun Dr. Wolfgang Wiener als Salzburger Umweltanwalt ein Rechtsmittel ergriffen, womit das Amt der Salzburger Landesregierung in der Angelegenheit zu entscheiden haben wird.

 

Kampf um Schmerzensgeld: Fehler bei Unfallaufnahme

 

Der 2008 in einer Kfz-Werkstätte arbeitende Herr S. wurde an seinem Arbeitsplatz schwer verletzt: Sein Dienstgeber stieß ihn mit einem Kundenauto, welches sich dort zur Reparatur befunden hatte, nieder. Die Polizei wurde alarmiert und nahm am Unfallort die Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung auf. Der Dienstgeber, der auch der Unfalllenker war, zeigte sich geständig, weshalb die Beamten auf die Protokollierung des Kfz-Kennzeichens verzichteten. Für Herrn S. hatte dies schwerwiegende Folgen. Weil der Chef durch das sogenannte Dienstgeberhaftungsprivileg geschützt ist und weil niemand das Kennzeichen des Unfallautos weiß oder wissen will, hat der verletzte Arbeiter, der nichts falsch gemacht hat und seit dem Unfall arbeitsunfähig ist, bis heute keinen Cent Schadenersatz bekommen. Herr S. bezieht weiterhin nur eine geringe Invaliditätspension und leidet unter den Langzeitfolgen des Unfalls.

Volksanwältin Stoisits betonte in der Sendung vom 4. November 2011, dass ein Fehlverhalten der Polizei vorliege – insbesondere im Hinblick auf den verstärkten Opferschutz hätte eine Verpflichtung der Polizei bestanden, Erhebungen zum Kennzeichen vorzunehmen. Alle Beteiligten würden sich der Verantwortung für das Unfallopfer entziehen.

Vor Gericht hat der Mechaniker gegen seinen Chef verloren, gegen das Ersturteil legte er nun Berufung ein und hofft, dass das Oberlandesgericht das Verfahren an die Erstinstanz zurückverweist. Ein Versicherungsschutz besteht mit Sicherheit, nur welche Versicherung zuständig ist, das sei weiterhin unbekannt.

Volksanwältin Stoisits sprach die Hoffnung aus, dass das Unfallopfer schlussendlich zu seinem Recht kommen möge – abzuwarten bleibe der Ausgang des Verfahrens vor Gericht. Als Volksanwältin habe sie sich mit dem Fehler der Polizei als Behörde auseinandergesetzt, da das Kennzeichen des Unfallwagens nicht erhoben wurde – worauf das Innenministerium nach eigenen Angaben mit umfangreichen Schulungsmaßnahmen reagiert habe. Nicht einzusehen sei jedenfalls, dass sich keine Versicherung für den Schadensfall zuständig zeigen wolle. Eine mögliche Lösung des Problems könne mithilfe des Fachverbands der Versicherungsträger gefunden werden: Die Volksanwältin hofft auf die Einsicht und Bereitschaft seitens des Verbandes, in diesem Fall dem unschuldigen Unfallopfer zu helfen.