Achitz: Sozialhilfe-Reform muss für Existenzsicherung und Rechtssicherheit sorgen

15. Oktober 2021

Tag gegen Armut: Mehr als ein Viertel der Beschwerden bei der Volksanwaltschaft aus Sozialbereich


„Viele Auswirkungen der Corona-Pandemie wirken sich auf armutsgefährdete Menschen viel drastischer aus als auf Wohlhabende“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung der Armut (17. Oktober). Arbeitsplätze wurden vor allem in Bereichen mit niedrigen Löhnen wie dem Tourismus verloren, prekär Beschäftigte wurden als erste gekündigt, geringfügig Beschäftigte konnten nicht in Kurzarbeit gehen, Corona-Strafen, die Reichen egal sind, können Menschen mit wenig Geld ein großes Loch ins Budget reißen. „Da ist eine gute Absicherung in Form einer existenzsichernden Mindestsicherung noch wichtiger als vor der Pandemie“, sagt Achitz.

Mindestsicherung in existenzsichernder Höhe wegen Corona-Krise noch wichtiger

„Wie wichtig die Mindestsicherung ist, zeigt sich nicht nur an der Zahl der Bezieherinnen und Bezieher, sondern auch am Beschwerdeaufkommen bei der Volksanwaltschaft: Mehr als ein Viertel aller Beschwerden auf Länder-/Gemeindeebene betreffen den Bereich Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt, Menschen mit Behinderung, Grundversorgung“, sagt Achitz: „Eine Mindestsicherung in existenzsichernder Höhe wird wegen der sozialen Nachwirkungen der Corona-Krise dringend gebraucht. Dafür ist eine politische Einigung nötig, die Rechtssicherheit für Betroffene herstellt und Armut verhindert.

Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat zu enormen Kürzungen geführt

2019 hat der Bund den Gestaltungsspielraum der Länder bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung weitgehend eingeschränkt. Das entsprechende Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) gilt seit 1. Juni 2019, Teile wurden allerdings als verfassungswidrig aufgehoben. Nur NÖ und OÖ haben ihre Landesgesetze fristgerecht angepasst – das hat dort für manche Bezieherinnen und Bezieher zu enormen Kürzungen geführt. Andere Bundesländer haben zunächst kein grundsatzgesetzeskonformes Ausführungsgesetz beschlossen. Das hat die Volksanwaltschaft in ihren Berichten an die Landtage der betroffenen Bundesländer kritisiert, weil es zu Rechtsunsicherheit für die betroffenen Menschen führt.

Soziale Grundrechte in Verfassung verankern

Eingriffe in bewährte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung würden erschwert, wenn man soziale Grundrechte in der Verfassung festschriebe. „Es wäre gut, zum Beispiel das Recht auf gute Arbeitsbedingungen, das Recht auf Absicherung bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit in der österreichischen Verfassung zu verankern. In einem modernen Staat sollten nicht nur Freiheits- und Eigentumsrechte in der Verfassung stehen, sondern auch soziale Rechte“, meint Achitz. Als Beispiele nennt er das Recht auf ein Dach über dem Kopf, auf Arbeit, auf Altersversorgung, auf Versorgung bei Krankheit und Unfall. „Das gibt es in Österreich alles, aber nur auf Basis von einfachen Gesetzen, die sehr schnell geändert werden können, wie man bei Einschnitten in die Pensionen gesehen hat, oder bei der Abschaffung der Mindestsicherung und ihrer Ersetzung durch die Sozialhilfe.“ Die Absicherung in der Verfassung wäre stärker und dauerhaft.

 

SERVICE: Die Volksanwaltschaft ist unter post@volksanwaltschaft.gv.at sowie unter der kostenlosen Servicenummer 0800 223 223 erreichbar.