Wie ist es um den Maßnahmenvollzug in Österreich bestellt?

22. Mai 2021

Was bedeutet Maßnahmenvollzug? Mit der Strafrechtsreform 1975 wurde der Maßnahmenvollzug in Österreich erstmals geschaffen. Therapie statt Strafe – das war der ursprünglicher Ansatz. Jedoch gibt es mittlerweile zu wenige Plätze und zu wenige Betreuerinnen und Betreuer. Knapp 1.300 Personen befinden sich derzeit im Maßnahmenvollzug. Für so eine hohe Anzahl an Untergebrachten fehlen die Ressourcen für eine adäquate Betreuung. Die Volksanwaltschaft übte immer wieder - auch in ihren Berichten - Kritik am Maßnahmenvollzug.

Im Studio diskutierte zu diesem Thema Volksanwalt Amon mit Univ. Prof. Dr. Reinhard Eher, Leiter der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäterinnen und -straftäter im Justizministerium.

„Es muss genau kontrolliert werden, wer in den Maßnahmenvollzug gehört und wer nicht. Gedacht ist er für psychisch kranke Rechtsbrecher und nicht für Personen, die straffällig wurden, bei denen man schlicht und ergreifend nicht weiß, wo man sie sonst unterbringen soll. Der Maßnahmenvollzug darf keine Sammelstelle sein. Hier ist es dringend an der Zeit für eine Reform“, erklärt Volksanwalt Amon.

Die meisten im Maßnahmenvollzug Untergebrachten werden so lange angehalten, so lange sie als gefährlich eingestuft werden. Manchmal ist das im wahrsten Sinne des Wortes "lebenslänglich". Amon dazu: „Solange wie notwendig, so kurz wie erforderlich. Ohne ausreichende Therapieangebote wird das aber nicht möglich sein. Und diesbezüglich mangelt es an allen Ecken und Enden. Unumgänglich ist eine gesetzliche Reform des Maßnahmenvollzuges.“

Nachgefragt: Gibt es eine Lösung für den jungen Mann, der zum Bundesheer möchte, aber als untauglich eingestuft wurde, weil er früher eine Frau war?

Der 20-jährige Herr P. kam 2000 in Niederösterreich als Mädchen zur Welt. 2016 wuchs dann der Wunsch ein Junge zu sein, woraufhin ein Transformationsprozess, begleitet von Psychologen, begann. Nach der offiziellen Änderung des Personenstands, suchte er um einen Stellungstermin an. Nach einigen Untersuchungen, die Herr P. gut absolvierte, wurde ihm mitgeteilt, dass er aufgrund seines „Zustands“ untauglich sei. Erst bei vollständiger Geschlechtsangleichung sei eine Tauglichkeitsbescheinigung eventuell möglich. Sein größter Traum schien zu zerplatzen.

Volksanwalt Amon unterstrich in der Sendung, dass auch die gängige Judikatur sagt, dass der Personenstand entscheidend sei und der überwiegende äußere Eindruck, ob jemand männlich oder weiblich ist, und ein fehlendes Genital kein Hindernis darstelle, weshalb diese medizinische Bewertungshilfe tatsächlich kritisch zu betrachten sei.

Der Sprecher des Bundesheeres erklärte, dass, wenn sich die Entwicklung des Herrn P. geändert habe, es jederzeit möglich wäre, formlos einen Antrag auf neuerliche Stellung zu beantragen, was ihm sicherlich auch gewährt werden würde. Zusätzlich werde er Herrn P. anbieten, einen Schnuppertag beim Militärhundezentrum zu verbringen, um einen Einblick in die Arbeit dort zu bekommen.

Konnte das Problem gelöst werden?

In der Zwischenzeit hat sich Erfreuliches getan. Das niederösterreichische Militärkommando hat Herrn P. mitgeteilt, dass der negative Stellungsbescheid, diese Untauglichkeitsbescheinigung, aufgehoben wurde. Herrn P. stehen nun wieder alle Möglichkeiten offen und er kann eventuell doch die von ihm angestrebte Karriere beim österreichischen Bundesheer absolvieren.