Volksanwaltschaft prüft 2021 schwerpunktmäßig die Psychiatrie

4. Jänner 2021

Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft für die Präventive Menschenrechtskontrolle zuständig, im ersten Halbjahr 2021 werden ihre sechs Kontrollkommissionen schwerpunktmäßig die psychiatrischen Krankenanstalten und Abteilungen in ganz Österreich prüfen. „Auf den Prüfschwerpunkt Psychiatrie haben sich die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen geeinigt, weil dort das Aggressionspotential und die Gewaltgefahr hoch sind“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Einerseits sind die Beschäftigten immer wieder mit gewalttätigen oder aggressiven Patientinnen und Patienten konfrontiert. Und andererseits müssen sie selbst Gewalt in Form von Zwangsmaßnahmen ausüben.“ Nach Befragungen, Kontrollbesuchen und Analyse wird die Volksanwaltschaft Empfehlungen für die Psychiatrien aufstellen.

Gewalt führt zu Traumatisierung und Behandlungsverweigerung

In psychiatrischen Institutionen, vor allem in der Akutpsychiatrie, sind Übergriffe durch die Patient*innen das größte arbeitsplatzbezogene Risiko für das Personal. Umgekehrt ist die Ausübung von Zwangsmaßnahmen (oder anderer, „nicht professioneller“ Gewalt in der Stationsarbeit) ein großes Risiko für den Genesungsprozess der Patient*innen. Achitz: „Es kann zu schweren Traumatisierungen kommen, das kann zu lebenslangen seelischen Verletzungen, aber auch zur Verweigerung von medizinischen Behandlungen führen.“

Deeskalationsmaßnahmen werden analysiert, Empfehlungen aufgestellt

Immer mehr psychiatrische Einrichtungen setzen bei Deeskalationsschulungen an, weil sie erkannt haben, dass die Optimierung des Umgangs mit Aggressionen ein wichtiges Qualitätskriterium für die Arbeit mit psychiatrischen Patient*innen ist. Um Aggression zu vermeiden, muss man wissen, was dazu führt, dass sich Unruhe und Erregungszustände in Richtung Aggression bzw. Gewalt steigern. „Alle Fälle von Aggression sollen daher systematisch erfasst werden. Dass man die Ursache kennt, ist entscheidend für wirksame Präventionsarbeit“, sagt Achitz. Die Kommissionen der Volksanwaltschaft werden daher im Jahr 2021 alle psychiatrischen Krankenanstalten und Abteilungen in ganz Österreich über ihre Deeskalationsmaßnahmen befragen, vor Ort Kontrollbesuche durchführen und dann mit entsprechenden Empfehlungen an die Öffentlichkeit gehen.

Stichwort: Präventive Menschenrechtskontrolle

Die Volksanwaltschaft (VA) hat den verfassungsgesetzlichen Auftrag, zum Schutz und zur Förderung von Menschenrechten öffentliche und private Einrichtungen zu überprüfen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt sind oder beschränkt werden können. Dazu zählen neben Gefängnissen unter anderem auch Psychiatrien, Alten- und Pflegeheime und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.

Multidisziplinär zusammengesetzte Kommissionen der VA kontrollieren ohne konkreten Anlassfall und unabhängig von Beschwerden pro Jahr etwa 500 Einrichtungen, in den allermeisten Fällen unangekündigt. Grundlage dafür sind zwei Abkommen der Vereinten Nationen: das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) sowie die UN-Behindertenrechtskonvention.

Ziel der präventiven Menschenrechtskontrolle ist es, Rahmenbedingungen aufzuzeigen, die wahrscheinlich zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Institutionen werden unterstützt, den Fokus auf Vorkehrungen und Maßnahmen zu richten, die Eingriffe in die Menschenrechte vermeiden.