Volksanwaltschaft drängt auf soziale Grundrechte in der Verfassung

30. September 2022

Die Volksanwaltschaft drängt auf eine Verankerung der sozialen Grundrechte in der Verfassung. Vor dem „Tag der Verfassung“ am 1. Oktober übermittelte sie daher einen Sonderbericht an den Nationalrat und den Bundesrat. „Es gibt einen breiten Konsens, dass Österreich ein Sozialstaat ist – das bildet die Verfassung aber nicht ab“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz. Die Volksanwaltschaft sammelte im Rahmen des NGO-Forums 2022 Vorschläge von zahlreichen Organisationen und forderte den Verfassungsgesetzgeber nun auf, einen umfassenden österreichischen Grundrechtskatalog schnellstmöglich in Angriff zu nehmen. Achitz: „Das ist auch im Regierungsprogramm 2020-2024 vorgesehen, aber bis jetzt ist offenbar nichts passiert.“ Vorrang sollten dabei das ebenfalls im Regierungsprogramm festgelegten Ziele „soziale Absicherung von durch Armut betroffenen Menschen“ haben, empfiehlt die Volksanwaltschaft.

Österreich hat große Lücken im sozialen System

„In Österreich gibt es nach wie vor Lücken im sozialen System. Wenn die sozialen Grundrechte in der Verfassung verankert wären, dann wäre ein Lückenschluss leichter durchsetzbar“, so Achitz. Österreich ist das einzige EU-Land, in dem soziale Grundrechte nicht in irgendeiner Form in der Verfassung verankert sind. Beim NGO-Forum 2022 diskutierten im Mai Mitglieder des Menschenrechtsbeirats sowie Vertreter der Armutskonferenz und zahlreicher NGOs und zivilgesellschaftlicher Gruppen die Notwendigkeit einer Verankerung der sozialen Grundrechte in der Verfassung. Die Vorschläge der Arbeitsgruppen Armutsvermeidung, Gesundheit, Soziale Absicherung, Wohnen/Obdachlosigkeit Daseinsvorsorge und Bildung sind im Sonderbericht dokumentiert.

Auch Eingriffe in soziale Grundrechte sollen der Kontrolle des VfGH unterliegen

„Die Volksanwaltschaft trägt nun die Ergebnisse des NGO-Forums an Nationalrat, Bundesrat und Bundesregierung heran und ersucht dringend, diese in der weiteren Diskussion zu berücksichtigen“, sagt Achitz: „Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie schnell es passieren kann, dass die Politik in Grundrechte eingreift, sogar in verfassungsrechtlich verbriefte Grundrechte. Die sozialen Grundrechte sind leider nicht im selben Ausmaß wie Freiheitsrechte verfassungsrechtlich verbrieft – und unterliegen daher nicht der Kontrolle des VfGH. Aber auch ein Eingriff in soziale Rechte sollte der Kontrolle des VfGH unterliegen.“