Taschengeld statt Lohn, Abhängigkeit statt Sozialversicherung: Realität von Menschen mit Behinderung

22. Jänner 2020

"Unbefriedigend und unzulässig" – so beschreibt die Volksanwaltschaft (VA) die Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt. Am 22. Jänner präsentieren die Volksanwälte Werner Amon und Bernhard Achitz den Abgeordneten im Salzburger Landtagsausschuss einen Sonderbericht, der auf drei Hauptprobleme hinweist, so Amon: „Wird die Arbeitsfähigkeit auf weniger als 50 Prozent klassifiziert, dann können die Betroffenen nicht arbeiten gehen wie alle anderen. Sie sind abhängig von Behindertenwerkstätten, wo sie nur ein Taschengeld bekommen.“ Achitz ergänzt: „In den Behindertenwerkstätten haben sie auch keine Sozialversicherung. Sie sind angewiesen auf die Mitversicherung bei den Eltern. Im Alter bleibt ihnen dann nur ein Leben auf dem Existenzminimum – Pension gibt es für sie nicht.“ 

Keine AMS-Vermittlung und -Förderung für Menschen mit Behinderung

Wird die Arbeitsfähigkeit von Menschen mit Behinderung vom Arbeitsmarktservice (AMS) per Gutachten einmal auf weniger als 50 Prozent klassifiziert, dann werden sie vom AMS nicht gefördert und nicht auf Arbeitsplätze vermittelt. Deshalb sind sie abhängig von Behindertenwerkstätten, wo sie für ihre Arbeit nur ein Taschengeld bekommen. Obwohl die Werkstätten fixe Arbeitszeiten vorschreiben, schwere Arbeit verlangen und diese in vielen Fällen gewinnbringend vermarkten. Werner Amon: „Natürlich ist die Arbeit in Behindertenwerkstätten auch Teil einer Therapie, das kann aber keine Entschuldigung dafür sein, dass Menschen, die arbeiten wollen, kein unabhängiges Leben führen können und sich nicht beruflich verwirklichen können.“ 

Lösung in anderen Ländern: Persönliche Assistenz statt Ausschluss vom Arbeitsmarkt

„Junge Menschen leiden darunter besonders. Sie kommen meist ihr ganzes Leben nicht mehr aus dieser Situation heraus. Sie haben keine Chance, selbständig zu werden“, kritisiert Bernhard Achitz. Die Volksanwaltschaft fordert daher von der Bundesregierung und den Landesregierungen, dass die Einteilung der Menschen in Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige ersatzlos abgeschafft wird. Andere Länder lösen das Problem etwa nicht durch Ausschluss vom Arbeitsmarkt, sondern durch persönliche Assistenz für die Betroffenen.

Geld darf kein Grund sein, die Menschenrechte nicht zu beachten

Für jene Menschen, die trotzdem nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sind, sondern in Behindertenwerkstätten, muss es soziale Absicherung geben: Krankenversicherung und Pensionsversicherung. Und finanzielle Absicherung: Menschen, die arbeiten, sollen Lohn oder Gehalt bekommen und nicht wie unmündige Kinder ein Taschengeld. „Das alles kostet Geld. Aber das Geld darf nicht der Grund für das Aussetzen der Menschenrechte sein“, so Achitz.