Stoisits: Turnunfall

29. Mai 2010

 

ORF Sendendereihe "Bürgeranwalt" - Ausstrahlung am 29.05.2010

Ein Volksschüler verletzte sich im Turnunterricht beim Hinaufklettern auf einen sogenannten "Kasten" schwer. Wegen eines komplizierten Drehbruchs im Oberschenkel musste er 13 Wochen ein Metallgerüst tragen, das mit vier Schrauben am Oberschenkelknochen befestigt ist. Ob Schäden zurückbleiben, weiß man noch nicht, weil der Bub noch im Wachstum ist. Eventuell braucht er schon früh ein Hüftgelenk oder das Kniegelenk bleibt dauerhaft beeinträchtigt.

Die Eltern werfen den Lehrern und der Schulleitung fehlendes Krisenmanagement vor: Das Lehrpersonal hätte nicht genau aufgepasst, außerdem habe man ihren Buben beim Wiedereinstieg in den Unterricht nicht wirklich unterstützt. Darüber hinaus stellt sich für die Eltern die Frage, wer für die Kosten für Medikamente und Therapien aufkomme, auch Schmerzensgeld habe ihr Sohn keines bekommen. Die Kosten, die unter anderem für die Heilung, für spezielle Hosen, und für den Verdienstentgang der Mutter entstanden sind, belaufen sich mittlerweile auf ca. 17.000 Euro. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat einen Teil dieser Kosten refundiert. Beim Landesschulrat und beim Bildungsministerium blitzte der Vater des Kindes ab. Von der Schule gab es keine Stellungnahme.

Im Ministerium habe man den Eltern zu einer Klage im Rahmen der Amtshaftung bei der Finanzprokuratur geraten. Für Volksanwältin Mag.a Terezija Stoisits ist das der falsche Weg, da nach Dienstgeberhaftungsprivileg Lehrer nur bei Vorsatz haften - und Absicht sei in diesem Fall auszuschließen. Die Volksanwältin sieht aber die Möglichkeit, über das Schülerbeihilfegesetz außerordentliche Unterstützung zu bekommen.

Das Unterrichtsministerium hat das eigene Prüfverfahren noch nicht abgeschlossen, ein Polizeibericht fehlt noch für eine endgültige Entscheidung, ob zum Beispiel das Turngerät beschädigt war.

Volksanwältin Stoisits kritisiert in der Sendung, dass kaum Informationen an die Familie weitergegeben wurden. Vom Schülerbeihilfegesetz, das bis zu 3.600 Euro Unterstützung bietet, habe die betroffene Familie erst von der Volksanwaltschaft erfahren, obwohl das Unterrichtsministerium und der niederösterreichische Landesschulinspektor behaupten, jede mögliche Unterstützung geleistet zu haben. Die Familie hatte aber nicht den Eindruck, umfassend unterstützt zu werden.

Volksanwältin Mag.a Terezija Stoisits: „Es kann immer etwas passieren – aber dann muss es professionelle Unterstützung für die Eltern geben. Außerdem ist eine Gesetzesinitiative notwendig, um in Härtefällen Schmerzensgeld zahlen zu können. Denn auch wenn hier niemand ‚schuld’ ist im strafrechtlichen Sinne, so ist trotzdem ein großes Unglück passiert. Der Wunsch der Volksanwaltschaft wäre eine gesetzliche Regelung für die Zukunft.“

 

Nachgefragt: Ohne Händeschütteln keine Staatsbürgerschaft

Mehr als 15 Jahre schon lebt und arbeitet ein moslemischer Religionslehrer mit seiner Familie in Kärnten. Im März 2005 suchte er um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für sich und seine Familie an. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies die Kärntner Landesregierung das Ansuchen unter Hinweis auf mangelnde Integration ab. Der Antragsteller weigere sich, Frauen zur Begrüßung die Hand zu reichen, wobei diese Weigerung nach den Angaben des Beschwerdeführers auf Glaubensgründe basiere und auch von Nicht-Moslems praktiziert werde.

Der betroffene Lehrer glaubt, dass sein Beruf ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verwehre und deshalb bei ihm andere Kriterien angelegt werden. Ihm wird vorgeworfen, er sei ein Hassprediger und fundamentalistischer Moslem. Doch seine religiöse Überzeugung werde falsch interpretiert, da er aus Respekt den Frauen nicht die Hand gebe.

Der Verfassungsgerichtshof entschied aufgrund einer Beschwerde, dass der Bescheid der Kärntner Landesregierung willkürlich und daher aufzuheben sei. Ein neuerlichen Antrag wurde von der Landesregierung wieder abgelehnt; dieser Bescheid wurde ebenfalls wieder vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

In der Sendung vom 8. November 2008 wurde der Fall im „Bürgeranwalt“ präsentiert und die Volksanwaltschaft kritisierte die Kärntner Landesregierung, weil sie das Urteil des Verfassungsgerichtshofes nicht umsetzte. Ein Vertreter der Kärntner Landesregierung unterstrich zuerst den ursprünglichen Standpunkt, lenkte dann aber ein und kündigte an, beim dritten Bescheid das Urteil des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen.

Volksanwältin Stoisits berichtete in der Sendung vom 29. Mai 2010, dass die Kärntner Landesregierung bisher trotzdem untätig blieb. Im März dieses Jahres entschied der Verwaltungsgerichtshof in der Sache, dass der Betroffene die Staatsbürgerschaft erhalten soll. Er hat innerhalb der nächsten zwei Jahre Zeit nachzuweisen, dass er seine ursprüngliche Staatsbürgerschaft abgelegt hat. Danach muss ihm die Kärntner Landesregierung die österreichische Staatsbürgerschaft verleihen.