Stoisits: Sängerknaben

23. Jänner 2010

ORF Sendung "Bürgeranwalt" - Ausstrahlung vom 23.1.2010


Der unter Denkmalschutz stehende Wiener Augarten beherbergt seit 60 Jahren das Hauptquartier der Wiener Sängerknaben. Als ein Randgebiet des Augartens, der sogenannte Augartenspitz, zu Baugrund umgewidmet wird, reift der Plan dort einen 1200 m² großen Konzertsaal für die Wiener Sängerknaben zu errichten. Ein Erstplan, der vorsah das barocke Pförtnerhäuschen sowie Teile der Gartenmauer abzureißen, führte zu heftigen Bürgerprotesten und empörte Bürgerinnen und Bürger wehren sich seither gegen die Verbauung dieser denkmalgeschützten Grünanlage. Als das Bundesdenkmalamt dem Großprojekt im April 2009 mittels Bescheides zustimmt, kommt es zu einer Besetzung des Augartenspitzes, die von der Polizei aufgelöst werden muss. Alle Hoffnungen auf eine gütliche Lösung scheinen vergebens. Die Wiener Sängerknaben wollen im Frühjahr 2010 mit dem Bau beginnen.

Im Studio verteidigten Herr Gerald Wirth, künstlerischer Leiter der Wiener Sängerknaben, und Herr Dr. Clemens Gärner, Rechtsanwalt der Wiener Sängerknaben, das geplante Großprojekt. Es handle sich beim Augartenspitz um einen kleinen Randteil, der vom Wiener Gemeinderat einstimmig zu Bauland umgewidmet worden sei. Aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen wäre es für die Wiener Sängerknaben unumgänglich, den Konzertsaal in der Nähe der Hauptresidenz zu bauen. Außerdem wäre dies ein Projekt, das weit über die Interessen der Wiener Sängerknaben hinaus ginge und eine internationale Plattform für die Ausbildung der Jugend schaffen könnte. Die Wiener Sängerknaben haben sich bei der Antragsstellung an alle gesetzlichen Vorschriften gehalten und eine rechtskräftige Baubewilligung der obersten Baubehörde sowie einen Bescheid des Bundesdenkmalamtes eingeholt. Auch Frau Dr. Barbara Neubauer, Präsidentin des Bundesdenkmalamtes, bestätigte, dass der Antragsstellung mehrere Vorgespräche sowie Gutachten vorangegangen seien. Im Bescheid des Bundesdenkmalamtes wären die Kriterien für die Zustimmung detailliert aufgelistet. Man wäre sehr sorgfältig vorgegangen und habe auch Alternativstandorte prüfen lassen.

Volksanwältin Stoisits erklärte, dass nicht die Wiener Sängerknaben, sondern die Art und Weise, wie die Behörden hier vorgegangen seien, Gegenstand des laufenden Prüfverfahrens wäre. Es sei zu klären, ob die Bewilligung der Veränderung des Bau- und Gartendenkmals Augarten zugunsten des Baus eines Konzertsaals rechtskonform erfolgt ist. Eine erste Überprüfung und Einsichtnahme in die Akten hat ergeben, dass bereits das Ansuchen grobe Formmängel aufweist: so hätten die zuständigen, eventuell aber gar nicht bevollmächtigten, Architekten für ein derartiges Großprojekt nur einen fünfzeiligen Antrag gestellt. Inhaltlich sei zu kritisieren, dass es keine Interessensabwägung gegeben habe. Der Antragssteller müsse nachweisen, dass die Veränderung eines Denkmals für die Verfolgung der Interessen erforderlich sei. Die Bescheidbegründung lasse vermuten, dass Alternativen gar nicht geprüft wurden. Das Bundesdenkmalamt habe die vom Antragssteller abgelehnten Alternativen ohne eigene Untersuchung übernommen, auch wenn sich diese im Augarten selbst oder in unmittelbarer Nähe befunden hätten.

Die Präsidentin des Bundesdenkmalamtes erläuterte zwar, dass Verfahren vor dieser Behörde „anders“ verlaufen als gewöhnliche Verwaltungsverfahren. Der – aus der Sicht der Volksanwaltschaft völlig unzureichende – Antragstellung seien nämlich jahrelange Gespräche vorangegangen. Für die Volksanwaltschaft ist eine solche Erklärung wenig befriedigend. Sie lässt viel mehr den Verdacht aufkommen, dass rechtsstaatliche Vorgaben nicht eingehalten wurden. Fest steht nämlich, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze für das Bundesdenkmalamt ebenso gelten wir für alle anderen Behörden. Die Volksanwaltschaft wird diesen Fall im Rahmen ihres laufenden Prüfverfahrens noch genauer untersuchen.