Soziale Menschenrechte in die Verfassung!

27. Mai 2021

Volksanwalt Bernhard Achitz sprach in der TV-Sendung „eingSCHENKt“ mit Martin Schenk über die Aufgaben der Volksanwaltschaft, die Fehler der Politik während der Corona-Pandemie, und warum die sozialen Grundrechte in der österreichischen Verfassung verankert werden müssen.

 

Anlaufstelle gegen die Übermacht von Behörden

Die Haupttätigkeit der Volksanwaltschaft ist die Kontrolle der Verwaltung, sagt Achitz: „An uns können sich Menschen wenden, die mit Behörden nicht zufrieden sind; die Entscheidungen von Behörden nicht nachvollziehen können; die glauben, dass diese Entscheidungen nicht gesetzeskonform oder nicht gerecht sind.“ Die Themen sind so vielfältig wie die Verwaltungsbehörden: vom Baurecht über Naturschutz bis hin zu Pensionen, Krankenversicherung, Mindestsicherung, Kinderbetreuungsgeld, Behinderten-wesen, Jugendämter, … Achitz: „All deren Akte und Entscheidungen können von uns geprüft werden. Wir treten an diese Behörden heran, wenn wir finden, dass in einem Fall eine andere Entscheidung möglich und notwendig gewesen wäre; oder wenn es möglich gewesen wäre, ein Gesetz bürgerfreundlicher auszulegen und anders zu entscheiden.“

In manchen Fällen gehen die Behörden gesetzeskonform vor, aber die Menschen sind mit dem Ergebnis trotzdem unzufrieden. „Die Volksanwaltschaft macht dann das Parlament darauf aufmerksam, wenn Gesetze zu unerwünschten Ergebnissen führen. Im Optimalfall werden diese Gesetze geändert“, sagt Achitz.

Corona auch für Volksanwaltschaft ein wesentliches Thema

In letzter Zeit ging es vor allem um diverse Corona-Regelungen. Achitz: „Wir haben die Politik darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht angebracht ist, um 22 Uhr Verordnungen zu erlassen, die am nächsten Tag um Null Uhr in Kraft treten. Weder die Polizei, die die Regeln vollziehen soll, noch die Menschen, die sich daran halten sollen, können da wissen, was gilt. Das führt zu mangelnder Akzeptanz der Regelungen und schränkt manchmal Grund- und Freiheitsrechte übermäßig ein.“ Beschwerden und Beobachtungen zum Thema Corona fasste die Volksanwaltschaft in einem eigenen Bericht zusammen und übermittelte sie dem Parlament.

Menschenrechte vorbeugend sichern

Die zweite Hauptaufgabe der Volksanwaltschaft ist die vorbeugende Kontrolle, damit die Menschenrechte eingehalten werden. „Dafür gehen die Kommissionen der Volksanwaltschaft an Orte, wo Freiheitsentziehung möglich ist: zum Beispiel Gefängnisse, aber auch Kinder- und Jugendlichen-WGs, Pflegeeinrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen“, sagt Achitz:

„Denken Sie zum Beispiel an jemanden, der in der Psychiatrie randaliert. Um ihn selbst und das Umfeld zu schützen, muss man ihn ruhigstellen und damit seine Freiheit einschränken. Die Aufgabe der Kommissionen der Volksanwaltschaft ist es, darauf zu schauen, dass das möglichst schonend passiert. Aber auch zu schauen, dass prinzipiell eine menschliche Atmosphäre in den Einrichtungen herrscht. Da legen wir den Finger in die Wunde. Wir fordern kreative Lösungen, die auch etwas kosten können. Menschenrechte zählen mehr als Geld!“

Die präventive Menschenrechtskontrolle ist schon in normalen Zeiten eine riesige Herausforderung, so Achitz: „Mit der Pandemie kamen zusätzliche Einschränkungen, etwa wurde verboten, ins Freie zu gehen. Das wurde von uns beanstandet – und die Politik hat das schließlich eingesehen und die Vorschriften geändert.“ Im Behindertenbereich wurden die Werkstätten geschlossen, im Wohnbereich war zu wenig Personal vorhanden, also mussten die Verwandten die Betreuung zuhause übernehmen.

Ein moderner Staat braucht mehr als Freiheits- und Eigentumsrechte

„Die Idee der sozialen Grundrechte beschäftigt mich schon lange, und das aus gutem Grund“, sagt Achitz: „Es wäre gut, zum Beispiel das Recht auf gute Arbeitsbedingungen, das Recht auf Absicherung bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit in der österreichischen Verfassung zu verankern. In einem modernen Staat sollten nicht nur Freiheits- und Eigentumsrechte in der Verfassung stehen, sondern auch soziale Rechte!“ Als Beispiele nennt er das Recht auf ein Dach über dem Kopf, auf Arbeit, auf Altersversorgung, auf Versorgung bei Krankheit und Unfall. „Das gibt es in Österreich alles, aber nur auf Basis von einfachen Gesetzen, die sehr schnell geändert werden können, wie man bei Einschnitten in die Pensionen gesehen hat, oder bei der Abschaffung der Mindestsicherung und ihrer Ersetzung durch die Sozialhilfe.“ Die Absicherung in der Verfassung wäre stärker und dauerhaft.

„eingSCHENKt“

Der Sozialexperte Martin Schenk spricht mit jeweils einem Gast aus dem Bereich der Wirtschafts-, Politik- oder Sozialwissenschaft über brisante Themen wie Arbeitslosigkeit, Armut, Ausgrenzung und Integration. Neben einer Analyse der gegenwärtigen Zustände geht es vor allem auch darum, aufzuzeigen, dass sozialpolitische und ökonomische Entscheidungen niemals unveränderbar sind und es immer Alternativen gibt. eingSCHENKt ist eine Produktion von Augustin TV.