Riskante Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen

14. März 2018

Am 12. Und 13. März fand in Trier eine internationale Konferenz zum Thema „Monitoring in Alten-und Pflegeheimen“ statt. Im Fokus der Konferenz, die vom Europarat, der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter sowie und der Volksanwaltschaft veranstaltet wurde, stand das Thema Freiheitsbeschränkungen.

Welche Möglichkeiten haben nationale Präventionsmechanismen freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen zurückzudrängen? Dieser Frage widmeten sich Expertinnen und Experten aus 25 europäischen Ländern auf einer internationalen Konferenz in Trier.  Auf Grundlage des OPCAT-Abkommens der Vereinten Nationen wurden in diesen Ländern so genannte Nationale Präventionsmechanismen eingerichtet, die Orte der Freiheitsentziehung kontrollieren, darunter auch Alten- und Pflegeheime.

Schutz und Förderung der Menschenrechte in Österreich

In Österreich ist seit 2012 die Volksanwaltschaft gemeinsam mit ihren sechs multidisziplinär zusammengesetzten Kommissionen als Nationaler Präventionsmechanismus tätig. Bislang haben die österreichischen Kommissionen mehr als 2.300 Orte der Freiheitsentziehung ( Art. 4 OPCAT) besucht. 569 Überprüfungen galten allein Pflegeeinrichtungen, davon waren mehr als 90 Follow-up Besuche. Die Kommissionen der Volksanwaltschaft haben damit in den letzten 5 Jahren rund die Hälfte aller in Österreich genehmigten Pflegeeinrichtungen kontrolliert. Die bundesweit festgestellten Mängel betreffen so viele Personen und so wesentliche Bereiche der Pflege, dass man davon ausgehen muss, dass sie strukturbedingt sind.

Wahrnehmungen der Kommissionen der Volksanwaltschaft

Univ. Prof. Dr. Reinhard Klaushofer hat bei dieser Konferenz sowohl über Wahrnehmungen seiner Kommission als auch über die österreichische Rechtslage berichtet. Univ. Prof Andrea Berzlanovich präsentierte in Form von Kurzfilmen und eindrucksvollen Bildern, welche erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Fixierungen entstehen. Die Immobilisation durch den regelmäßigen und dauerhaften Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen bedingen Stress und befördern auch den geistigen Abbau. Unsachgemäße Anwendungen können im schlimmsten Fall zum Tod führen, in seltenen Fällen können selbst korrekt angebrachte mechanische Fixierungen tödliche Folgen haben.

Erörtert wurden Studien, die eindeutig belegen, dass Bewohnerinnen und Bewohner durch mechanische oder medikamentöse Freiheitsbeschränkungen nicht vor Stürzen bewahrt werden können. Aufgrund erzwungener Ruhigstellung verliert der Körper an Muskelkraft und Balance, was letztlich die Sturzgefährdung sogar erhöhen kann.

Leitlinien zu einer effektiven Sturzprävention

Zur Frage, wie eine effektive Sturzprävention auszusehen habe, geben relevante evidenzbasierte Leitlinien in vielen Punkten ein relativ einheitliches Bild: Eine wirksame Sturzprävention setzt voraus, dass das Sturzrisiko einer Person umfassend und systematisch erhoben wird und dabei personenbezogene Risikofaktoren wie auch externe oder umgebungsbezogene Faktoren berücksichtigt werden. Da sich das Sturzrisiko verändern kann, ist es regelmäßig zu erheben, jedenfalls auch bei Veränderungen des Gesundheitszustandes oder der Medikation. Auch gelten kognitive Einschränkungen und herausforderndes Verhalten als Risikofaktoren für freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Die Umgebung erlebt Verhaltensauffälligkeiten, wie erhöhten Bewegungsdrang, körperlich und verbal aggressives Verhalten sowie ständige Unruhe vielfach als belastend.

Schulungen im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten sowie spezifische Betreuungskonzepte für Demenzkranke sind hier wesentliche Ansätze zur Vermeidung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Eine zentrale Rolle spielt zudem die Haltung der Heimleitungen und des Personals zum Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit.

Realistisches Training mit Schauspielern

Besonderen Anklang bei allen Teilnehmenden fand das angebotene Training mit zwei Schauspielern als Simulationspatienten, die, geschult durch die MedUni Wien, Biographien von Personen mit verschiedenen Krankheitsbildern glaubhaft verkörperten. Deren professionelles Feedback zeigt, worauf beim Gesprächsaufbau und bei Gesprächsinhalten mit kognitiv eingeschränkten Menschen und Demenzerkrankten besonders zu achten ist. Vertieft wird der Lerneffekt durch die Analyse entscheidender Gesprächssequenzen in der Gruppe. Die Volksanwaltschaft hat dieses praxisnahe Kommunikationstraining mit ihren Kommissionen bereits erfolgreich erprobt und wird dieses auch weiter einsetzen.