Rechtliche Auswirkungen des Coronavirus
Volksanwalt Bernhard Achitz antwortet auf arbeits- und sozialrechtliche Fragen. Universitätsprofessor Martin Spitzer beantwortet konkrete juristische Fragen zum Thema Privatrecht und Schadenersatz. Neue Verordnungen verändern den Alltag. Wer darf was? Welche Strafen drohen? Harald Eberhard, Professor für Öffentliches Rech, beschäftigt sich mit Fragen und Kritik zu den neuen Verordnungen, die unseren Alltag verändern.
Enorm viele Fragen von Bürgerinnen und Bürgern sind in der Redaktion "Bürgeranwalt" eingelangt: zum Thema Arbeitsmarkt, Kurzarbeit, neue Verordnungen, Einschränkung der Grundrechte, Schadenersatz und vieles mehr. Volksanwalt Bernhard Achitz, anerkannter Sozialrechtsexperte wird sozial- und arbeitsrechtliche Fragen beantworten. Martin Spitzer, Professor für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien wird insbesondere Fragen zum Schadenersatz erörtern und Harald Eberhard, Professor für Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität beschäftigt sich mit Fragen und Kritik zu den neuen Verordnungen, die unseren Alltag verändern.
Schadenersatz für Unternehmer?
Sehr oft geht es um die Frage, wie man jetzt zu Geld kommt, wenn Betriebe geschlossen werden müssen. Eine betroffene Selbstständige kritisiert etwa, dass die Bestimmung des Epidemiegesetzes außer Kraft gesetzt wurde, wonach behördlich gesperrte Betriebe ihre Kosten vom Staat ersetzt bekommen hätten. Achitz bestätigte, dass es für eine Entschädigung ihres Verdienstentgangs noch keine genauen Regelungen gibt, allerdings wurde ein Entschädigungsfonds angekündigt. Auch Betriebsunterbrechungs-versicherungen würden in vielen Fällen nicht zahlen, meinte Zivilrechtler Spitzer.
Lohn/Gehalt muss weiter bezahlt werden
Arbeiterinnen/Arbeiter und Angestellte müssen hingegen ihren Lohn bzw. ihren Gehalt auch dann weiter bezahlt bekommen, wenn ihr Betrieb geschlossen werden muss. Bestehende Unklarheiten hat das Parlament am Wochenende beseitigt. Allerdings müssen die Beschäftigten auf Verlangen ihres Arbeitgebers Teile ihres Zeitausgleichs und ihres Urlaubs verbrauchen.
Kurzarbeit meist die beste Lösung
„Eine sehr sinnvolle Maßnahme ist auch die Kurzarbeit“, sagte Volksanwalt Achitz, „dadurch müssen Menschen nicht gekündigt werden, auch wenn der Betrieb im Moment keine Arbeit für sie hat.“ Sie bekommen 80 bis 90 Prozent ihres Entgelts weiterbezahlt, können also ihre laufenden Kosten weiterhin bezahlen. Der Arbeitgeber bekommt einen Großteil vom Arbeitsmarktservice (AMS) refundiert. „Der Betrieb hat den großen Vorteil, dass er auf erfahrene Leute zurückgreifen kann, sobald die Wirtschaft wieder anspringt. Er muss also nicht neue Beschäftigte suchen und erst einschulen. Das haben wir schon bei der letzten Wirtschaftskrise gesehen“, sagte Achitz.
Vorsicht bei einvernehmlichen Lösungen!
Nicht verboten sind Kündigungen, dabei muss sich der Arbeitgeber aber an die Kündigungsfristen halten und die Beschäftigten zumindest einige Wochen lang weiterhin voll bezahlen. Achitz: „Die Kurzarbeit ist in der derzeitigen Situation in den allermeisten Fällen die vernünftigere Lösung.“ Er warnte Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer davor, voreilig zu unterschreiben, wenn der Arbeitgeber eine einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses vorschlägt: „Damit verzichtet man auf die Kündigungsfrist.“
Arbeiten oder nicht arbeiten?
„Darf mein Arbeitgeber darauf bestehen, dass ich das Betreuungsangebot der Schule für meine Kinder nutze?“, fragt eine Angestellte. „Das ist eine schwierige Situation“, so Achitz, wenn der Arbeitgeber darauf besteht, dass gearbeitet wird, dann muss man arbeiten und die Kinder in die Schule schicken.
Manche wollen nicht arbeiten, bei anderen verhält es sich umgekehrt – sie wollen bereits vereinbarten Urlaub nicht antreten, weil sie ja jetzt ohnehin nicht verreise können. Aber: „Urlaub ist Vereinbarungssache, das gilt auch für die Rücknahme der Urlaubsvereinbarung.“
Arbeitgeber für Ein-Meter-Abstand verantwortlich
Ein Bauarbeiter beklagt, dass er den vorgeschriebenen Ein-Meter-Abstand nicht einhalten könne, weder bei der Arbeit noch im Auto, mit dem er mit sieben Kollegen auf die Baustelle gebracht werde. Für Volksanwalt Achitz ist der Fall klar: „Auch bei der Arbeit ist der Abstand von einem Meter einzuhalten, und dafür hat der Arbeitgeber zu sorgen. Wenn die Arbeit überhaupt fortgesetzt werden kann, dann muss er andere Transportmöglichkeiten und Pausenräume zur Verfügung stellen.“
Sorge um Pflege
Sorgen machen sich die „Bürgeranwalt“-Zuseher auch um die 24-Stunden-Pflege ihrer Angehörigen. Pflegepersonal könnte sowohl aus gesundheitlichen Gründen als auch wegen der Reisebeschränkungen Österreichs oder anderer Länder ausfallen. Hier hat die Bundesregierung die Möglichkeit geschaffen, Zivildiener heranzuziehen. Auch frühere Zivildiener können wieder eingezogen werden, so Professor Eberhard. Auch Milizsoldaten können mobilisiert werden.
Fristen vor Gericht
Abwarten können Menschen, die vor Gericht gehen wollen: Fristen werden verschoben, vorläufig bis Mai. Professor Spitzer: „Man muss sich also keine Sorgen machen, dass etwas verjährt.“ Ein Problem für viele könne aber sein, dass sie dadurch länger warten müssen, um an ihr Geld zu kommen, warf Volksanwalt Achitz ein: „Darüber wird man sich noch Gedanken machen müssen.“ Laut Spitzer dürften Richterinnen und Richter aber auch auf den Fristaufschub verzichten, also im normalen Tempo entscheiden.
Außer Haus gehen dürfen ist „grundrechtlich notwendig“
In der Verordnung des Gesundheitsministers ist klargestellt, dass man – allein oder mit Mitbewohnerinnen/Mitbewohnern und unter Einhaltung des Ein-Meter-Abstands zu anderen Menschen – trotz der Ausgangsbestimmungen nach wie vor das Haus verlassen darf, nicht nur, um arbeiten oder einkaufen zu gehen, sondern auch für Spaziergänge und Ähnliches. "Und das ist auch grundrechtlich notwendig“, stellte Experte Eberhard klar. Gegen alle Verordnungen, aber auch gegen Akte der Polizei könne man sich auch in der jetzigen Situation rechtlich zur Wehr setzen: „Der Rechtsstaat ist intakt.“ – „Und wenn der Instanzenzug ausgeschöpft ist, kann man sich immer noch an die Volksanwaltschaft wenden“, ergänzte Volksanwalt Achitz.
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