Laufen am Friedhof?
Im März 2018 richtete die Friedhöfe Wien GmbH zwei Laufstrecken mit 2 und 5 Kilometern Länge am Wiener Zentralfriedhof ein. Die Laufstrecken führen über bereits bestehende Wege des Zentralfriedhofs, Hinweistafeln zeigen die Routenführung. Sie wurden im Mai 2019 mit musikalischen Darbietungen und verschiedenen Laufbewerben feierlich eröffnet und sorgen seither für Gesprächsstoff und Beschwerden bei der Volksanwaltschaft.
Aufgrund von Medienberichten über die Errichtung der Laufstrecken und die Eröffnungsfeier am Wiener Zentralfriedhof langten bei der Volksanwaltschaft zahlreiche Beschwerden ein. Viele Menschen fühlen sich in ihrem stillen Gedenken gestört. Sie erachten das Laufen sowie das Abhalten von Konzerten und Laufveranstaltungen am Friedhofsgelände für pietätlos. Darüber hinaus betreffen die Beschwerden weitere rücksichtslose Verhaltensweisen, wie unangemessene Bekleidung, das Hören von lauter Musik oder das lautstarke Telefonieren in unmittelbarer Nähe zu den Gräbern.
Volksanwältin Brinek prüfte den Fall und stellte die Sichtweise der Volksanwaltschaft in der Sendung „Bürgeranwalt“ vor: „Ich hätte die Positionen gerne mit Vertreterinnen und Vertretern der Wiener Magistratsdirektion oder der Friedhöfe Wien GmbH diskutiert, leider folgte niemand unserer Einladung.“ Die Friedhöfe Wien GmbH argumentierte bereits in den Medien, dass bereits seit Längerem am Friedhof gelaufen werde und dass es erst seit der medialen Berichterstattung Beschwerden dazu gäbe.
„Dass auf dem Friedhof schon seit Jahren gelaufen wird, ist bereits ein bedauerliches Wegschauen. Die eigenen Wiener Gesetze werden hier nicht ernst genommen. Dem ganzen wird mit der Errichtung offizieller Laufstrecken nun die Krone aufgesetzt“, so Brinek. Denn die Laufstrecke ist aus Sicht der Volksanwaltschaft nicht mit der Widmung „Friedhof“ im Sinne der Bauordnung für Wien vereinbar, das Gelände der Erd- und Feuerbestattung vorbehalten. Anstatt Nutzungskonflikte zu vermeiden, werden diese von den Behörden aber geradezu provoziert.
Daher sind die Hinweisschilder über die Routenführung zu entfernen und allenfalls durch Schilder über pietätvolles Verhalten am Friedhof als Ort des stillen Gedenkens zu ersetzen. „Auf einem Friedhof hat man sich zu verhalten, wie es für einen Friedhof üblich ist bzw. wie es die Friedhofsordnung vorsieht.“ Laut § 7 hat das Verhalten auf Friedhöfen dem Ernst, der Würde und der Widmung eines Friedhofes zu entsprechen. „Kennen der Magistrat und die Friedhöfe Wien GmbH die eigene Friedhofsordnung nicht?“, fragt sich die Volksanwältin.
Bilanz zur Amtszeit
Eine der gesetzlichen Änderungen, an der Volksanwältin Gertrude Brinek maßgeblich beteiligt war, ist das im Juli 2018 in Kraft getretene Erwachsenenschutzgesetz, das die bisherige Sachwalterschaft ersetzt hat. Ältere oder psychisch kranke Menschen sind oft nicht in der Lage ihre Geschäfte ohne Nachteil für sich selbst wahrzunehmen. Das Gericht bestellte in solchen Fällen einen Sachwalter, der die gesetzliche Vertretung der Betroffenen übernahm. Doch Angehörige beschwerten sich häufig über eine nicht ausreichende Versorgung oder starke finanzielle Einschränkungen durch den Sachwalter. Oft fehlte Angehörigen auch das Verständnis, dass sie nicht selbst die Sachwalterschaft übernehmen dürfen. Das neue Gesetz bringt hingegen mehr Mitspracherechte und Selbstbestimmung für Betroffene. Ein Umdenken ist in Gang, die Beschwerdezahlen bei der Volksanwaltschaft gehen langsam zurück. Offene Punkte gibt es jedoch noch. „Es wäre wichtig, dass die Liste der Rechtsanwaltskanzleien, die viele Betroffene betreuen, transparent und gut zugänglich gemacht wird und dass klar ist, wo sich Betroffene beschweren können. Diese beiden Punkte sind aus meiner Sicht noch zu klären“, so Volksanwältin Brinek abschließend.
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