Land Oberösterreich diskutiert Bericht der Volksanwaltschaft 2019-2020

1. Dezember 2021

Heute diskutieren die Volksanwälte Rosenkranz, Amon und Achitz den Bericht der Volksanwaltschaft im Verfassungsausschuss des Landes Oberösterreich. Der Bericht behandelt die Kontrolle der Verwaltung im Hinblick auf die Tätigkeit der oberösterreichischen Landes- und Gemeindebehörden in den Jahren 2019 und 2020.

Die Volksanwaltschaft prüft, ob behördliche Entscheidungen den Gesetzen und dem Recht auf gute Verwaltung entsprechen. Über die Ergebnisse der Prüfverfahren informiert die Volksanwaltschaft nicht nur die Betroffenen, sondern berichtet darüber auch an den zuständigen Landtag. Auf diese Weise können Schwachstellen und Fehlentwicklungen in der Verwaltung aufgezeigt werden, aber auch Chancen zur Verbesserung.

„Das Land Oberösterreich hat sich mit der wirkungsorientierten Verwaltung selbst ein Leitbild gegeben und sieht sich als Dienstleister für die Menschen im Land. Die Volksanwaltschaft liefert mit ihren Prüfungen und Beanstandungen wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Verwaltungspraxis. Die abnehmende Anzahl an Beschwerden als auch der geringere Anteil an tatsächlich festgestellten Missständen bestätigt, dass sich die Landes- als auch Gemeindeverwaltung in Oberösterreich auf einem guten Weg befindet“, so Landtagspräsident Max Hiegelsberger.

In den Berichtsjahren 2019-2020 wandten sich 690 Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher an die Volksanwaltschaft, weil sie sich von der Oberösterreichischen Landes- und Gemeindeverwaltung nicht fair behandelt oder unzureichend informiert fühlten. In 67 Fällen stellte die Volksanwaltschaft einen Missstand in der Verwaltung fest, was einem Anteil von rund 9,5 % aller erledigten Verfahren entspricht.

Inhaltlich betrafen die meisten Beschwerden die Bereiche Raumordnung und Baurecht (237 Beschwerden), gefolgt von Fragen der Mindestsicherung und der Jugendwohlfahrt (165 Beschwerden), Problemen in den Bereichen Staatsbürgerschaft, Wählerevidenz, Straßenpolizei (53 Beschwerden) sowie Landesfinanzen bzw. Landes- und Gemeindeabgaben (49 Beschwerden).

Die Volksanwälte diskutieren einzelne Beispiele aus dem aktuellen Bericht mit den Abgeordneten im Oberösterreichischen Landtag, um Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen:

Lärmbelästigung durch Gaststätte nicht kontrolliert

Die Anrainerin einer Linzer Gaststätte beschwerte sich erstmals 2017 bei der Volksanwaltschaft über die Untätigkeit des Magistrats der Stadt Linz: Trotz zahlreicher Eingaben wegen einer Lärmbelästigung durch Musik und Sesselrücken sei nichts unternommen worden. Die Volksanwaltschaft konnte zunächst klären, dass es sich am Standort um zwei Lokale handle, ein Café und ein „Stüberl“, mit unterschiedlichen Sperrstunden. Die Volksanwaltschaft kritisierte, dass die Gewerbebehörde die Genehmigung des „Stüberls“ und der Sperrzeiten nicht sorgfältig beurteilt hatte. Darüber hinaus bemängelte sie, dass noch kein Amtssachverständiger die Schallimmission in der Wohnung der Frau überprüft hatte. In einem Gutachten stellte sich heraus, dass die Schallimmission tatsächlich aufgrund ihrer Unvorhersehbarkeit, der Unregelmäßigkeit und weil sie in der Nachtzeit auftrat, besonders belästigend war. Die von der Sachverständigen empfohlenen zusätzlichen Auflagen schrieb der Magistrat schließlich im Jänner 2021 vor.

Kinderbetreuung in einer Nachbargemeinde

Das oö. Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (KBBG) erlaubt die Kinderbetreuung nicht nur in Kindergärten und Krabbelstuben, sondern auch bei Tagesmüttern. Gemeinden müssen dafür sorgen, dass ausreichend Plätze vorhanden sind. Zur Entlohnung der Betreuung müssen sie laut Tagesmütter- bzw. Tagesväter-Verordnung einen Beitrag leisten, was den Eltern bestätigt wird. Kann die Hauptwohnsitzgemeinde keinen Platz anbieten, so hat sie an die Nachbargemeinde, die einen Platz anbieten kann, einen Gastbeitrag zu leisten. Gibt es darüber zwischen den Gemeinden keine Einigung, so entschied auf Antrag einer der Gemeinden bis Juni 2019 die Landesregierung und seitdem die Bildungsdirektion per Bescheid.

Die Gemeinde Weyregg/Attersee weigerte sich den Beitrag für eine Tagesmutter zu übernehmen und war auch nicht bereit, den Gastbeitrag für die Betreuung in einer Nachbargemeinde zu tragen. Auf Anfrage der Volksanwaltschaft konnten aber weder die Gemeinde noch das Amt der oö. Landesregierung nachweisen, dass tatsächlich ein Betreuungsplatz in der gemeindeeigenen Einrichtung vorhanden war. Die Volksanwaltschaft kritisierte weiters, dass die Gemeinde das genehmigte Stundenausmaß für die Betreuung reduzierte, weil sie zu ungenau recherchiert hatte. Ein Ersuchen der Gemeinde an das Amt der Landesregierung um Entscheidung, ob der Gastbeitrag zu leisten ist, fasste dieses nicht als Antrag nach dem KBBG auf und wurde nicht tätig. „Die Volksanwaltschaft kritisierte daher auch die Landesregierung, die keine Klärung bewirkt hatte“, erklärt Volksanwalt Walter Rosenkranz.

Zufahrt im Grünland – Gemeinde Tiefgraben

Einem Eigentümer eines Bauplatzes, das in einem Wohngebiet lag, wurde von der Baubehörde der Gemeinde Tiefgraben aufgetragen, eine mindestens 3 m breite Zufahrt über zwei andere Grundstücke herzustellen. Da diese beiden Grundstücke im „Grünland – landwirtschaftlich genutzte Fläche“ lagen, durfte allerdings die Zufahrt baurechtlich nicht bewilligt werden. Grundflächen, deren Aufschließung unvertretbare öffentliche Aufwendungen (u.a. für den Straßenbau) erfordern, dürfen nicht als Bauplätze bewilligt werden. Eine befestigte Zufahrt ist ein Bauwerk. Im Grünland dürfen nur Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen. Eine private Zufahrt zu Baulandgrundstücken ist für eine bestimmungsgemäße Nutzung des für die Land- und Fortwirtschaft bestimmten Grünlands nicht nötig. Die Auflage, im Grünland eine Zufahrt herzustellen, war daher gesetzwidrig. An Verkehrsflächen sind dagegen keine vergleichbar hohen Anforderungen zu stellen. Die VA regte deshalb an, die raumordnungsfachlichen Voraussetzungen für die Ausweisung einer schmäleren Verkehrsfläche zur Aufschließung des Wohngebietes zu prüfen. Nach der Anregung der Volksanwaltschaft erstellte der Ortsplaner im Auftrag der Gemeinde einen neuen Entwurf zur Änderung des Flächenwidmungsplanes. Dieser sah eine schmälere Verkehrsfläche vor. „Im März 2021 beschloss der Gemeinderat die Festlegung dieser Verkehrsfläche, damit die Zufahrt zum Wohngebiet endlich hergestellt werden kann“, zeigt sich Volksanwalt Amon erfreut.

Anpassung der Mietzinsobergrenze bei Wohnbeihilfe – Amt der OÖ Landesregierung

Gemäß der OÖ Wohnbeihilfen-Verordnung 2012 wird Wohnbeihilfe – ausgenommen Wohnungen von gemeinnützigen Bauvereinigungen – nur dann gewährt, wenn bei Neuvermietung der anrechenbare Wohnungsaufwand inkl. USt. pro m² nicht höher als 7 Euro ist. Die VA erachtet eine Mietzinsobergrenze bei der Gewährung der Wohnbeihilfe für sinnvoll. Im Zuge eines Prüfverfahrens wurde jedoch festgestellt, dass die letzte Erhöhung der Mietzinsobergrenze im Jahr 2009 erfolgte. Nach einer ersten Betrachtung der VA spiegelt ein Mietzins von 7 Euro pro m2 nicht mehr die aktuellen Gegebenheiten bei Neuvermietung in Oberösterreich wieder. „Wir haben daher bei der Landesregierung angeregt, eine Anpassung der Mietzinsobergrenze an die tatsächliche Mietpreisentwicklung in Oberösterreich vorzunehmen“, so Volksanwalt Amon. Nach Auffassung der Landesregierung müsse jedoch berücksichtigt werden, dass eine Erhöhung der Mietzinsobergrenze bei der Gewährung der Wohnbeihilfe preistreibend auf die Mieten wirken könnte. Die gesetzte Grenze würde sich hingegen preisdämpfend auf den Wohnungsmarkt auswirken.

Junger Mann mit Behinderung durfte Tagesstätte wegen Corona nicht benutzen – und verliert deshalb Platz auf Dauer

Wegen der Corona-Pandemie haben Tageseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen vorübergehend ganz zugesperrt, und auch nach der Wiedereröffnung konnten manchen Kundinnen und Kunden nicht zurück, weil sie die Corona-Hygiene- und Schutzvorschriften nicht einhalten konnten. Bei der Volksanwaltschaft haben sich Angehörige von Betroffenen beschwert, die so aus den Tagesstätten ausgesperrt waren – und dann ihren Platz verloren haben. Mit der Begründung, dass sie ihn ja lange nicht genutzt hatten. Die Familien, die ihre Verwandten lang alleine gepflegt und betreut hatten, haben für diese Vorgangsweise des Landes Oberösterreich natürlich kein Verständnis. Volksanwalt Bernhard Achitz: „In normalen Zeiten mag ja begründet sein, dass der Platz verfällt, wenn man ihn ein halbes Jahr nicht nutzt. Aber in Corona-Zeiten wäre eine Sonderregelung notwendig, damit die Angehörigen bei der anstrengenden Pflege wieder Unterstützung bekommen.“

Keine Wohnplätze für Menschen mit Behinderungen, weil Land Oberösterreich nicht genug Geld dafür bereitstellt

Ein junger Oberösterreicher leidet an mehreren Behinderungen und Erkrankungen. Viele Spitals- und Psychiatrieaufenthalte konnten nicht verhindern, dass der Mann monatelang sein abgedunkeltes Zimmer nicht verlassen hatte. Im Oktober beantragte seine Mutter Betreutes Wohnen für ihn, lange war vom Land Oberösterreich gar keine Antwort zu bekommen. Die Volksanwaltschaft schritt ein, aber das Land konnte auch nach mehr als einem Jahr nicht sagen, wann es einen Wohnplatz für den Mann geben werde – obwohl mehrere Fachgutachten die Aufnahme für notwendig hielten. „Das ist leider kein Einzelfall. Einige Betroffene haben sich bei der Volksanwaltschaft beschwert. Es scheitert immer wieder an der fehlenden Finanzierung geeigneter Wohnformen durch das Land Oberösterreich“, kritisiert Volksanwalt Bernhard Achitz: „Die UN-Behindertenrechtskonvention wird hier völlig ignoriert. Für Menschen mit Behinderung muss es möglich sein, selbstbestimmt zu wohnen und die dafür notwendigen Unterstützungen zu bekommen.“

Oberösterreich entschädigt nicht alle, die als Kind in Heimen misshandelt wurden

Viele Jahrzehnte hindurch wurden Kinder und Jugendliche in Einrichtungen und Pflegefamilien misshandelt und gequält. Sie können als symbolische Entschädigung in Form einer Heimopferrente beantragen. Die Volksanwaltschaft bearbeitet einen großen Teil dieser Anträge. Automatisch haben jene Menschen ein Recht auf die Rente, die zuvor eine Pauschalentschädigung der Einrichtung bekommen haben, die für die Misshandlung verantwortlich war. In Oberösterreich gibt es dafür eigene Anlaufstellen, bei denen – im Gegensatz zu anderen Bundeländern – bis heute Anträge auf Entschädigung gestellt werden können. Von Oberösterreich gibt es Geld, wenn in Landesheimen oder Pflegefamilien misshandelt wurde. Volksanwalt Achitz: „Aber leider entschädigt das Land nicht, wenn das Kind in einem Privat- oder Gemeindeheim untergebracht war. Das Land muss endlich auch für all jene Menschen die Verantwortung übernehmen, die unter seiner Aufsicht in Heime eingewiesen wurden.“ Die Volksanwaltschaft berät in Sachen Heimopferrente und Pauschalentschädigung.

Diese und weitere Details können dem aktuellen Bericht entnommen werden.