Grundsatz missachtet: Rehabilitation vor Pension
Grundsatz missachtet: Rehabilitation vor Pension
Eine 30-jährige Krankenschwester aus Krems kann aufgrund von Komplikationen bei der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2008 ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben. Die Betroffene erlitt bei der Geburt einen Dammriss, welcher massive gesundheitliche Beeinträchtigungen mit sich zog, die sich etwa in Stuhlinkontinenz äußern.
Um einen möglichst raschen Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erwirken, begann sie im August 2011 mit einem Lehrgang zur Gesundheits- und Pflegepädagogin an der Donau-Universität Krems. An die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) wandte sich die alleinerziehende Mutter mit der Bitte um Unterstützung für die Kosten des Lehrgangs in Höhe von € 5.100 zu erhalten. Der Versicherungsträger lehnte diesen Antrag im Herbst 2011 ab, da er die Rehabilitationsfähigkeit nicht gegeben sah. Stattdessen wurde aber eine Berufsunfähigkeitspension zuerkannt.
Das vorbildhafte Engagement der Betroffenen ist in diesem Fall insbesondere hervorzuheben. Diese konnte den Lehrgang in zwei statt in drei Semestern mit ausgezeichnetem Erfolg absolvieren. Zusätzlich zur Grundausbildung entschloss sich die alleinerziehende Mutter noch den Master of Science zu absolvieren, um in weiterer Folge als Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege tätig werden zu können. Die Kosten dieses Studiums betragen € 7.100. Im Dezember 2011 stellte sie einen weiteren Antrag auf Gewährung einer beruflichen Maßnahme der Rehabilitation, welcher dieses Mal von der PVA bewilligt wurde und somit die Kosten des Master-Studiums übernommen werden. Statt einer Berufsunfähigkeitspension erhält die Betroffene nun ein Übergangsgeld für die Dauer der Ausbildung.
Es gilt allerdings der gesetzlich festgelegte Grundsatz, dass eine Rehabilitation der Pensionierung vorzuziehen sei und ein möglichst schneller Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht werden sollte.
Volksanwalt Dr. Peter Kostelka kritisierte, dass die PVA in diesem Fall einem jungen, arbeitswilligen Menschen die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschwere und forderte, dass die noch offenen Kosten des ersten Lehrgangs in Höhe von € 5.100 zu ersetzen seien. Volksanwalt Dr. Kostelka betonte, dass der Grundsatz des Vorranges der Rehabilitation vor Pension von der PVA einzuhalten sei. „Es gibt einen individuellen Rechtsanspruch eines jeden Versicherten auf Rehabilitation. Das ist keine Almosenleistung, sondern gesetzlich so auferlegt“, so Kostelka.
Es konnte schließlich eine Einigung zwischen der Betroffenen und der PVA erzielt werden. „Wir werden einen Weg finden, um die entstandenen Ausbildungskoten zusätzlich für die Betroffene zu übernehmen“, versicherte Dr. Berndt Pokorny, Leiter der Rechtsabteilung der PVA. Volksanwalt Peter Kostelka appellierte an die PVA, künftig Menschen besser zu unterstützen, die ihr Schicksal trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen selbst in die Hand nehmen. Der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ sei schließlich im Interesse der Versicherten, aber auch im Interesse der eigenen Finanzen wahrzunehmen. Grundsätzlich sei das Zahlenverhältnis von Rehabilitation und Pension noch sehr verbesserungswürdig. Die Versicherungsanstalten erkannten im Jahr 2011 nur 6,82 % der Anträge auf Maßnahmen der Rehabilitation zu.
Nachgefragt: Taschengeld-Kontrolle im Pflegeheim
Personen, die in Pflegeheimen untergebracht sind, müssen den Großteil ihrer Pension an die Landesbehörde für die Pflege abliefern. Nur ein Bruchteil von ungefähr 20 % verbleibt den Betroffenen als frei verfügbares Taschengeld. Das Land Kärnten forderte von den Angehörigen der pflegebedürftigen Personen bislang einen alljährlichen präzisen Nachweis über die Verwendung dieser Restpension. Ebenso muss über das Vermögensverhältnis der Betroffenen Auskunft gegeben und eine Kopie des Pensionskontos und Sparkontos übermittelt werden. Denn im Rahmen der Kärntner Mindestsicherung dürfen pflegebedürftige Personen in Heimen pro Jahr nicht mehr als € 3.870 an Ersparnissen haben. Alles was darüber hinausgeht, kassiert das Land für die Pflege.
Der Sohn einer 84-jährigen Dame, die in einem Kärntner Gesundheits- und Pflegezentrum untergebracht ist, hatte sich deshalb an die Volksanwaltschaft gewandt. Die Aufforderung jedes Jahr eine genaue Aufstellung über die Verwendung dieses Taschengeldes an die Kärntner Landesregierung zu übermitteln, sei für ihn nicht nachvollziehbar. In Anbetracht der Höhe der Beträge, um die es hier geht, sei diese Kontrolle für die zu pflegende Person entwürdigend.
Die Volksanwaltschaft hat in einer Missstandsfeststellung und Empfehlung dargelegt, dass ein solcher Eingriff in die Privatsphäre laut Europäischer Menschenrechtskonvention als unzulässig zu bewerten ist. Das Vorgehen des Kärntner Landes ist somit verfassungswidrig. In der Sendung vom 29.09.2012 sprach Volksanwalt Dr. Peter Kostelka von einem unzumutbaren Ansinnen der Landesbehörde. Schließlich sei das Taschengeld ein Betrag über den die Pflegebedürftigen frei verfügen können - und das bedeute auch, dass sie dem Land über dessen Verwendung keinerlei Rechenschaft schuldig sind.
Bislang rechtfertige die Kärntner Landesregierung ihre Forderung damit, dass nur durch diese Taschengeld-Kontrolle Missbrauch verhindert werden könne. Der für soziale Angelegenheiten zuständige Landesrat, Christian Ragger, räumte in der damaligen Sendung ein, dass diese Form der Kontrolle für pflegebedürftige Personen nicht angemessen und somit eine gesetzliche Novellierung einzuleiten sei.
Dass diese Taschengeld-Kontrolle die Grundrechte berühre und somit nicht erlaubt sei, hat inzwischen die Kärntner Landesregierung ausdrücklich festgestellt. In einem Schreiben der Kärntner Landesregierung an die Volksanwaltschaft wurde kürzlich bestätigt, dass eine grundrechtskonforme Gesetzesänderung in absehbarer Zeit veranlasst und es künftig aber keine solchen Aufforderungen mehr geben wird. „ Die Angehörigen der Betroffenen müssen keine genaue Aufstellung mehr übermitteln. Eine Globalbestätigung darüber, dass die Restpension im Interesse und in Übereinstimmung mit der pflegebedürftigen Person ausgegeben wurde, ist nun ausreichend“, betont Volksanwalt Kostelka. Durch diese gesetzliche Änderung passt sich Kärnten nun dem Rest Österreichs an. Denn bislang wurde eine derartige Taschengeld-Kontrolle nur mehr im Land Kärnten durchgeführt.