Erschöpfungssyndrom – Kein Hausbesuch für Begutachtung

20. Mai 2023

Seit zwei Jahren leidet Johannes H. am Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). Deshalb sind Behörden- und Arzttermine eine hohe Belastung für ihn. Jedes Mal, wenn er das Haus verlassen muss, verschlechtert sich sein Zustand für längere Zeit. Im April 2022 stellte er einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension. Daraufhin erhielt er mehrere Einladungen zur Begutachtung, die er aber wegen seiner Erkrankung nicht wahrnehmen konnte. „Immer wieder melden sich Betroffene bei der Volksanwaltschaft, weil ihre Krankheit nicht ernst genommen wird – auch von Behörden und von der Sozialversicherung“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz.

Tausende Menschen sollen in Österreich von Myalgischer Enzephalomyelitis, auch Chronic Fatigue Syndrome, kurz: ME/CFS genannt, betroffen sein. Johannes H. ist durch die Erkrankung so geschwächt, dass er nur für wenige Minuten am Tag belastende Tätigkeiten ausführen kann. Überschreitet er die Belastungsgrenze, führt das zu einem Crash: grippeartige Beschwerden, Gliederschmerzen, Kopfweh, komplette Energielosigkeit. Das kann mehrere Tage dauern, bis zur ursprünglichen Belastungsgrenze können Wochen vergehen.

H. versteht grundsätzlich, dass für die Berufsunfähigkeitspension eine Untersuchung durch die Pensionsversicherung (PVA) notwendig ist. Aber jede zusätzliche Belastung, wie etwa die Anreise zur Untersuchung von Neunkirchen nach St. Pölten, steht einer Verbesserung im Wege, deshalb hat er bei der PVA um einen Hausbesuch zur Untersuchung gebeten. Darauf hat die PVA aber nicht inhaltlich geantwortet, sondern nur eine neuerliche Vorladung zu einem Termin in St. Pölten angesucht. Da seine wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel stand, sah sich H. gezwungen, die Anreise zu riskieren. Der Besuch in St. Polten führte, wie erwartet, zu einem schweren Crash, von dem er sich lange nicht vollständig erholt hat.

„Die PVA führt andere Begutachtungen, etwa Pflegegeldeinstufungen, sehr wohl bei Hausbesuchen durch“, sagte Volksanwalt Achitz in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 20 Mai 2023, „es ist problematisch, dass sie Herrn H. keinen Hausbesuch angeboten hat. Wenn der behandelnde Arzt attestiert, dass die Fahrt zur Begutachtung zu einer Verschlechterung führen kann, dann muss die PVA das ernst nehmen.“

„Menschen mit dem Chronic Fatigue Syndrome sind krank, aber oft will ihr Umfeld nichts davon wissen. Man glaubt ihnen ihre Erschöpfung nicht. Aber wer zusätzlich zur Erkrankung auch noch stigmatisiert wird, leidet doppelt“, so Volksanwalt Achitz.