Burgenland: Volksanwälte diskutieren mit Abgeordneten Fragen der Menschenrechte

30. September 2020

Am 30. September diskutierten die Volksanwälte Werner Amon, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz persönlich den aktuellen Bericht der Volksanwaltschaft zur Präventiven Menschenrechtskontrolle 2019 mit den Abgeordneten des Rechtsausschusses des Burgenländischen Landtags.

Alljährlich stellt die Volksanwaltschaft in diesem Bericht die Ergebnisse ihrer Tätigkeit als Nationaler Präventionsmechanismus dar und weist darin auf Verletzungen der Behörden im Bereich der Menschenrechte hin. Ziel ist, Menschen vor Misshandlungen und erniedrigender Behandlung zu schützen. Typischerweise treten schwerwiegende Verletzungen von Menschenrechten in Situationen auf, in denen ein Machtgefälle besteht oder Menschen sich kein oder nur wenig Gehör verschaffen können. Bernhard Achitz: „Verletzungen der Menschenrechte sollen verhindert werden, noch bevor sie stattfinden. Es geht nicht um die Feststellung von vorhandenen Menschenrechtsverletzungen, sondern um konkrete Empfehlungen und Grundsätze, mit denen unmenschliche und erniedrigende Behandlung so unwahrscheinlich wie möglich wird.“

Gesetzlicher Auftrag zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte

Die Volksanwaltschaft hat den gesetzlichen Auftrag, öffentliche und private Einrichtungen zu überprüfen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt sind. Zu diesen sogenannten Orten der Freiheitsentziehung zählen Justizanstalten, Polizeiinspektionen, Polizeianhaltezentren, Alten- und Pflegeheime, Psychiatrien sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Kommissionen der Volksanwaltschaft führen regelmäßig Kontrollen in diesen Einrichtungen durch, um auf Defizite und Risiken aufmerksam zu machen und auf Verbesserungen hinzuwirken. Eine Besonderheit des österreichischen präventiven Mandats ist, dass über diese Orte der Freiheitsentziehung hinaus auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderung kontrolliert und Polizeieinsätze beobachtet werden. „Wir nehmen unsere Aufgabe als Menschenrechtshaus der Republik sehr ernst, deshalb ist gerade die Arbeit der Kommissionen so wichtig, um bereits im Vorfeld mögliche Verletzungen der Menschenrechte zu erkennen und abzustellen“, betont Volksanwalt Amon.

2019 wurden österreichweit bei rund drei Viertel aller Kontrollen kritikwürdige Zustände und Gefährdungen wahrgenommen: Zu wenig Personal, fehlende Barrierefreiheit, überbelegte Justizanstalten, unverhältnismäßige freiheitsbeschränkende Maßnahmen, Unterbringungen von psychisch kranken Kindern in der Erwachsenenpsychiatrie sind nur einige Beispiele. Einige der festgestellten Mängel konnten nach Gesprächen mit den Verantwortlichen bereits behoben werden. „Wenn Trägerorganisationen und Aufsichtsbehörden allerdings an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, ist die Politik gefragt, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Unsere Aufgabe als Volksanwälte ist es, die Umsetzung der Empfehlungen voranzutreiben und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen", so Volksanwalt Rosenkranz. Der vorliegende Bericht soll die Abgeordneten über die Arbeit der Volksanwaltschaft und ihre Wahrnehmungen informieren.

Im Burgenland besuchte die zuständige Expertenkommission im Berichtsjahr 2019 insgesamt 13 Alten- und Pflegeheime, eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe und sieben Einrichtungen für Menschen mit Behinderung.

Einer der Erfolge: Situation in burgenländischen Altenwohn- und Pflegeheimen verbessert

Aggression und Gewalt in Pflegeeinrichtungen zu thematisieren, ist eine wichtige Aufgabe der Volksanwaltschaft. Im Burgenland wurden in dieser Hinsicht wichtige Schritte gesetzt. Das mit 1. November 2019 in Kraft getretene Bgld Sozialeinrichtungsgesetz sieht nun für die Betriebsbewilligung eines Altenwohn- und Pflegeheimes verpflichtend die Vorlage eines Gewaltpräventionskonzeptes vor. Außerdem beabsichtigt die Landesregierung demnächst eine einheitliche Qualitätsleitlinie zur Gewaltprävention zu erstellen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Kontrollbesuche der Volksanwaltschaft betrifft die Vermeidung von Polymedikation in Alten- und Pflegeheimen. Polypharmazie bezeichnet die gleichzeitige Anwendung mehrerer Arzneimittel. Die in der Fachliteratur am häufigsten verwendete Definition von Polypharmazie ist die gleichzeitige Einnahme von fünf oder mehr Arzneimitteln. Das entspricht auch der Definition der WHO. Werden einer Person mehr als zehn Wirkstoffe verabreicht, spricht die WHO von Hyperpolymedikation. Polypharmazie entsteht häufig aufgrund der Behandlung durch mehrere Ärztinnen und Ärzte – wie den praktischen Arzt, den Internisten und den Psychiater. Deshalb kommt der medizinischen Dokumentation im Heim große Bedeutung zu. So wurden beispielsweise einer Bewohnerin in einem Heim im Burgenland täglich sogar 22 Arzneimittel verschrieben, davon vier Psychopharmaka. Die zuständige Kommission regte schon vor Ort eine fachärztliche Abklärung auf Wechselwirkungen wegen eines auf das Zentralnervensystem wirkenden Schmerzmittels dringend an.

Darüber hinaus bewirkte das wiederholte Aufzeigen von Problembereichen durch den NPM auch Verbesserungen auf struktureller Ebene:

So wurden in einer burgenländischen Einrichtung nach dem Besuch der Kommission der Volksanwaltschaft zehn Niederflurbetten angeschafft, der Garten renoviert, die Fenster ausgetauscht, die Zimmer ausgemalt und eine Klimaanlage im Speisesaal installiert. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung wurde ein Ruheraum geschaffen; andere bauliche Maßnahmen umfassten Stiegenabsicherungen und die Montage von Außenjalousien und Markisen. Insbesondere Hitzemaßnahmen gewinnen zusehends an Bedeutung, da aufgrund der Klimaerwärmung die Anzahl und Dauer von Hitzeperioden in Österreich zunimmt. Durchgehend hohe Temperaturen haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Lebensqualität, sondern stellen eine gesundheitliche Gefahr und ein tödliches Risiko für ältere Bewohnerinnen bzw. Bewohner dar. Das Personal ist ebenfalls durch ein hitzebedingt schlechtes Raumklima belastet.