Amputation verhindert, Krankenkasse wollte nicht zahlen

11. Jänner 2020

Franz Draschwandtner, ein 70-jähriger Pensionist aus Oberösterreich, leidet an einem sogenannten „offenen Bein“. Dabei handelt es sich um ein offenes Geschwür am Unterschenkel. Die Haut verhärtet sich, geht ab, es entstehen Wunden, die nicht verheilen. Das tut weh und kann sogar die Amputation des Beins zur Folge haben. Bei Draschwandtner wird es aber nicht so weit kommen, denn der erfahrene Hausarzt und Unfallchirurg Walter Titze behandelte seinen Patienten richtig: mit einem Druckverband über der dann schon 15 mal 10 Zentimeter großen Wunde. Dieser muss jeden zweiten Tag komplett neu angelegt werden. Bei Draschwandtner 42 Mal.

Kostenpunkt 821 Euro, aber die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS), bei der Draschwandtner als früherer Tankstellenpächter versichert ist, wollte davon gerade einmal 274 Euro übernehmen. Auf den restlichen 547 Euro sollte Draschwandtner sitzen bleiben. „Das ist ein Drittel von der Pension, das kann ich mir eigentlich nicht leisten“, sagte er in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“.

Die SVS wollte nur einen neuen Verband pro Monat bezahlen, die restlichen 37 Kompressionsverbände wurden als Korrektur der Kompressionsverbände abgerechnet – mit 7,13 Euro. Arzt Titze dazu: „Schwachsinnig! Der Verband muss jeden zweiten Tag komplett neu angelegt werden. Nur so hat das Ganze auch Erfolg.“ Erstens würde er sonst zu riechen beginnen, zweitens nicht mehr halten, und drittens würde er nichts nutzen. Franz Draschwandtner wandte sich an die Volksanwaltschaft.

Volksanwalt Bernhard Achitz stellt sich an die Seite des Patienten und fordert ein Überdenken des Tarifmodells: „Die Tarifordnung steuert in eine völlig falsche Richtung. Das, was die SVS entlohnen würde, würde nicht zur Gesundung des Patienten führen.“ Für die Ärzte sei diese Praxis ein Anreiz, die notwendigen Verbände nicht selbst anzulegen, sondern die Patientinnen und Patienten ins Spital zu schicken, wo die Behandlung aber für das Gesundheitssystem teurer ist. Titze ergänzt: „Wenn ich den Patienten ins Spital nach Vöcklabruck schicke, würde allein der Taxifahrer eine Pauschale von 56 Euro bekommen.“

Für Draschwandtner ist letztlich alles gut ausgegangen. Nachdem sich die Volksanwaltschaft eingeschaltet hatte, schrieb die SVS von einem „Missverständnis“. Draschwandtner muss nun nur den vorgesehenen Selbstbehalt von 20 Prozent zahlen. Die Volksanwaltschaft fordert aber, dass die Krankenkassen ihre Tarifordnungen überarbeiten, damit nicht in die falsche Richtung gesteuert wird, weg vom niedergelassenen Bereich, hin zum teuren Spital. Achitz: „Der niedergelassene Arzt behandelt nicht nur günstiger, sondern in vielen Fällen auch besser und angenehmer für die Patientinnen und Patienten.“

Nachgefragt: Problemzone "Intersexualität"

Es gibt Menschen, die weder Mann noch Frau sind. Diese intersexuellen Personen fühlten sich diskriminiert und haben sich im Juli 2017 an die Volksanwaltschaft gewandt. Sie forderten, sich mit einem dritten Geschlecht im Personenstandsregister und im Pass eintragen zu dürfen. Der Verfassungsgerichtshof hat ihnen recht gegeben. Aber wurde die dritte Geschlechtsoption rechtskonform umgesetzt?

Volksanwalt Bernhard Achitz: „Es gibt immer wieder Probleme bei den Behörden. Dabei bleiben die Betroffenen auf der Strecke. Sie können ihr Geschlecht nicht so eintragen, wie sie das wollen. Das ist untragbar. Das gehört bereinigt.“ Tinou Ponzer vom Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich fordert, dass die Eintragung des Geschlechts durchgeführt wird, wenn die Betroffenen das verlangen – ohne dass ein Gutachten erstellt wird, wie das derzeit durch einen Ministeriumserlass geregelt wird.

Ein weiteres Problem: In welchen Fällen dürfen geschlechtsanpassende Operationen bei Kindern durchgeführt werden? „Dafür gibt es mittlerweile Empfehlungen einer Arbeitsgruppe, aber die wurden vom Gesundheitsministerium nicht an die Zielgruppen herangetragen. Weder die Eltern der Betroffenen noch die Ärztinnen und Ärzte wurden aktiv informiert“, kritisiert Achitz. Die Empfehlungen müssen kommuniziert, evaluiert und verbessert werden.