Wie sicher sind Kindersitze?

25. April 2017

Das Kraftfahrgesetz sieht vor, dass Kinder bis 14 Jahre, die kleiner als 150 cm sind, in Fahrzeugen nur befördert werden dürfen, wenn „geeignete Rückhalteeinrichtungen“ verwendet werden. Solche Rückhalteeinrichtungen sind im Regelfall Kindersitze bzw. Sitzerhöhungen in Verbindung mit üblichen Sicherheitsgurten. Ist ein höhenverstellbarer Sicherheitsgurt vorhanden, darf dieser ab einer Körpergröße des Kindes von 135 cm auch ohne Kindersitz bzw. Sitzerhöhung benützt werden.

Alle verwendeten Kindersitze bzw. Sitzerhöhungen müssen bestimmten ECE-Sicherheitsnormen entsprechen. Die ECE-Zulassung für gegenwärtig im Handel erhältliche Kindersitze bzw. Sitzerhöhungen beschränkt sich allerdings auf ein Körpergewicht des Kindes bis 36 kg. Was ist also zu tun, wenn das Kind noch keine 150 cm groß ist, aber bereits mehr als 36 kg wiegt? Vor dieser Frage stand die Mutter eines Buben, die sich an die Volksanwaltschaft wandte.

Mit höhenverstellbaren Sicherheitsgurten war ihr Fahrzeug nicht ausgestattet. Im Glauben, dass sie einen für das Gewicht ihres Sohnes nicht zugelassenen Kindersitz nicht verwenden darf, sicherte die Lenkerin ihr ca. 140 cm großes, mehr als 36 kg schweres Kind daher lediglich mit einem „normalen“ Sicherheitsgurt. Prompt erhielt sie dafür nach einer Verkehrskontrolle eine Verwaltungsstrafe und es erfolgte eine Vormerkung im Führerscheinregister.

Was die Betroffene nicht wusste, war, dass laut einem Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) aus dem Jahre 2006 auch die Verwendung von lediglich bis 36 kg Körpergewicht zugelassenen Kindersitzen bzw. Sitzerhöhungen für Kinder mit einem höheren Körpergewicht zulässig ist, wenn keine andere Sicherungsmöglichkeit in Betracht kommt. Das BMVIT stützte diesen Erlass auf eine Anordnung des Bayrischen Staatsministeriums des Inneren aus dem Jahr 1993, welche wiederum auf Tests der deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen, Materialprüfungsanstalt in Stuttgart, verwies. Demnach würden aus technischer Sicht hochwertige Kindersitze bzw. Sitzerhöhungen auch höhere Gewichtsbelastungen als 36 kg ohne Gefährdung aushalten.

Die betroffene Mutter hätte daher ohne weiteres einen für das Körpergewicht ihres Kindes eigentlich nicht zugelassenen Kindersitz bzw. eine Sitzerhöhung verwenden dürfen, ohne sich nach kraftfahrrechtlichen Bestimmungen strafbar zu machen. Da sie diese Sicherungsmaßnahme unterließ, war die erfolgte Bestrafung von der Volksanwaltschaft nicht zu beanstanden.

Für Volksanwalt Dr. Fichtenbauer ist es allerdings nicht ausreichend, dass sich Fahrzeuglenkerinnen und Lenker bei der Verwendung der gegenständlichen Kindersitze bzw. Sitzerhöhungen nicht strafbar machen. Sie müssen vielmehr auch Gewissheit darüber haben, dass gegen diese Verwendung keine Sicherheitsbedenken bestehen. Dies erscheint derzeit aber nicht gewährleistet, zumal das BMVIT den angesprochenen Erlass auf Testergebnisse stützt, die mehr als 20 Jahre zurückliegen und die zudem im BMVIT gar nicht (mehr) verfügbar sind.

Das BMVIT stellte diesbezüglich zunächst die Beauftragung einer Studie in Aussicht, in der zweifelsfrei geklärt werden soll, welche Art von Kindersitzen bzw. Sitzerhöhungen für die Beförderung von Kindern mit einem Körpergewicht von mehr als 36 kg ohne Sicherheitsbedenken verwendet werden können.

Nach Einholung diesbezüglicher Angebote, rückte die Behörde davon aber wieder ab und verwies auf die Vielzahl am Markt befindlicher Kindersitzsysteme (über 100 verschiedene Produkte). Eine Prüfung dieser Systeme wäre mit einem unvertretbaren Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden.

Es würden aber Überlegungen in andere Richtungen, etwa im Hinblick auf das derzeit geltende Größenmaß für die Kindersicherung von 150 cm, angestellt.

Die Volksanwaltschaft wird sich über das Ergebnis dieser Überlegungen des BMVIT im Sinne der erforderlichen Rechtssicherheit für die Lenkerinnen und Lenker berichten lassen.