Verzinsung einer Sozialhilfeleistung und Unklarheiten nach Abschaffung des Pflegregresses

31. März 2018

Der Fonds Soziales Wien (FSW) schloss mit einer Bewohnerin einer Pflegeeinrichtung einen Vergleich, wonach sich die betagte Frau verpflichtete, die bezogene Sozialhilfe für den Aufenthalt in einer Pflegeinrichtung samt 4 % Zinsen zurückzuzahlen. Nach dem Ableben der Wienerin schrieb der FSW  vorerst eine Gesamtrechnung – ohne Zinsen – vor. Rund 1 1/2 Jahre später erhielt der Schwiegersohn aber noch eine Rechnung – rund 340 Euro machte der FSW zusätzlich an Zinsen geltend.

Der Schwiegersohn wandte sich an die Volksanwaltschaft. Nach Einschreiten der Volksanwaltschaft verzichtete der FSW zwar im Einzelfall auf die Zahlung des Zinsbetrages, sieht darüber hinaus aber keine Probleme mit der Verzinsung einer Sozialhilfeleistung. Für Volksanwalt Günther Kräuter ist die gegenständliche Vereinbarung zwar rechtskonform, aber das Vorgehen des FSW trotzdem ein Missstand in der Verwaltung: „Die Verzinsung einer Sozialhilfeleistung widerspricht dem Grundsatz und dem Wesen der Sozialhilfe.“ Die Gewährung einer Sozialhilfe sei kein Geschäftsmodell, sondern diene der Unterstützung von Hilfebedürftigen, so Volksanwalt Kräuter.

Unklarheiten nach Abschaffung des Pflegeregresses

Volksanwalt Günther Kräuter nimmt den Fall zum Anlass, um allgemein über die Abschaffung des Pflegeregresses zu diskutieren und Forderungen zu stellen.

Für die Kosten einer Behandlung in einer Pflegeeinrichtung konnte bis Ende 2017 auf das Privatvermögen der Hilfeempfänger zurückgegriffen werden. Mit 1.1.2018 wurde der Regress für die Pflege in Heimen abgeschafft, die Länder dürfen zur Kostendeckung nicht mehr auf Vermögen zurückgreifen.

Bei der Vollziehung der neuen Rechtslage ergeben sich aber rechtliche Unklarheiten für Übergangsfälle. Dadurch kommt es bei noch offenen Forderungen zu einer Ungleichbehandlung in den Bundesländern. Laut Volksanwalt Kräuter sei bspw. das Land Niederösterreich der Vorgabe des Sozialministeriums, auf offene Regressforderungen zur Gänze verzichten, gefolgt. Wien, die Steiermark oder das Burgenland wollen hingegen noch offene Forderungen in Verlassenschaftsverfahren geltend machen oder rechtskräftig festgestellte Beträge im Exekutionswege einheben.

Zudem müsse die Balance zwischen privater Pflege und Heimunterbringung hergestellt werden, fordert Kräuter: "Durch die Abschaffung des Pflegeregresses in Einrichtungen ist die Pflege in den eigenen vier Wänden plötzlich teurer als das Heim. Meistens reichen bei der Pflege zu Hause, etwa durch eine 24-Std-Betreuung, die kleine Pension und das Pflegegeld nicht aus, es muss auf das Sparbuch zugegriffen werden oder die Kinder müssen finanziell etwas beitragen."

Volksanwalt Günther Kräuter fordert daher in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ eine Anhebung des Pflegegeldes um 30 Prozent und die Verdoppelung des Bundeszuschusses zur 24-Std-Betreuung.

„Nur so könne eine volkswirtschaftlich sinnvolle Trendumkehr gelingen und der Überlastung der Einrichtungen sowie dem teuren Neubau und Betrieb von Alten- und Pflegeheimen entgegengesteuert werden“, schließt Kräuter.