Stützlehrer für Autisten

23. April 2016

Etwa 50.000 Burschen und Mädchen in Österreich leiden an frühkindlichem Autismus. Den Betroffenen fällt es oft schwer, sich sozial angepasst zu verhalten. Beim achtjährigen Marcel ist eine schwere Form von frühkindlichem Autismus diagnostiziert worden. Er spricht kaum. Nur mit Stöhnlauten und Zeigen kann er sich verständlich machen. Leider neigt er auch zu plötzlichen Anfällen, bei denen es auch schon vorkam, dass er sich selbst verletzt hat. Marcels Mutter erzieht ihren Sohn alleine und berichtet, dass er ständige Beobachtung braucht.

In seinem ersten Pflichtschuljahr wurde Marcel von seiner Mutter nach dem Lehrplan der Vorschulstufe zu Hause unterrichtet. Für das Schuljahr 2015/16 stellte sie einen Antrag auf Zuerkennung von sonderpädagogischem Förderbedarf. Aufgrund von Marcels Befunden und mehreren ärztlichen Gutachten wurde dieser Förderbedarf auch festgestellt und Marcel nach einem besonderen Lehrplan in einer Sonderschule mit vier weiteren Kindern unterrichtet. Mit dem Einverständnis der Schule setzte man auch eigens eine Fachkraft der Autistenhilfe für ihn ein.

An zwei Tagen in der Woche sollte Marcel nun so die Schule besuchen, doch kurz nach Weihnachten stand die Stützkraft nur mehr an einem der beiden Schultage zur Verfügung. An den Tagen, an denen die Stützkraft für Marcel nicht anwesend war, kam es in der Schule vermehrt zu Vorfällen, und die Mutter sah die Sicherheit ihres Sohnes in der Schule nicht mehr gegeben. Selbst die zuständigen Pädagogen in der Schule waren dagegen, dass die Anwesenheit der Stützkraft reduziert wird.

Ein Ansuchen der Mutter, dass der Sohn daher vom Unterricht befreit würde, wurde von der Schule abgelehnt, da der Antrag auf häuslichen Unterricht nur zu Beginn des Semesters gestellt werden kann. Eine Anfrage an den Landesschulrat, weshalb die Stützkraft gestrichen wurde, blieb ebenfalls fruchtlos. So überlegt die Mutter, ob sie ihr Kind im kommenden Jahr nicht in Großenzersdorf zur Schule schicken solle. Die dort ins Auge gefasste Schule hat einen guten Ruf bei der Betreuung von Autisten, doch sie befindet sich 60 km von Marcels jetzigem Zuhause entfernt. Der lange Schulweg könnte sich negativ auf die Gesundheit des Achtjährigen auswirken.

Im Studio diskutierten Volksanwalt Dr. Fichtenbauer, Dr. Resetarits und die Mutter des kleinen Marcel. Behördenvertreter lehnten die Einladungen zur Diskussion allesamt ab.

Volksanwalt Fichtenbauer hob die besondere Leistung der Mutter hervor, die sich rund um die Uhr um ihr Kind kümmert. Sie nehme übermenschliche Belastungen auf sich auf und brauche daher jede Unterstützung. Es müssen daher Mittel aus dem Schulsystem locker gemacht werden. In Zeiten der Forderung nach flächendeckender Inklusion wäre der für Marcel aufzuwendende Beitrag vergleichsweise gering, doch würde er sehr viel bewirken. Dass dafür kein Etat übrig sein soll, ist für Dr. Fichtenbauer unverständlich.

Immerhin ist nach Einschreiten der Volksanwaltschaft für das laufende Schuljahr wieder eine Stützkraft für beide Schultage eingeteilt worden. Die Schulaufsicht kündigt schriftlich zwar an, dass auch im kommenden Schuljahr voraussichtlich wieder eine Stützkraft für die gesamte Unterrichtszeit Marcels vorhanden wäre, doch forderte der Volksanwalt gesicherte Aussagen und rasches Handeln der zuständigen Behörden, dass Marcel so umfassend als möglich die für ihn nötige Unterstützung erhält.

Die Volksanwaltschaft wird jedenfalls mit Nachdruck an der Sache dranbleiben.

 

Nachgefragt: Kein Versicherungsschutz für Lesepaten?

Eine engagierte Pensionistin war im Schuljahr 2013/14 als Lesepatin in einer Wiener Volksschule tätig. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit übte sie während des regulären Unterrichts ca. ein bis zwei Stunden wöchentlich aus. Im Mai 2014 kam sie in der Schule zu Sturz und verletzte sich schwer an der Schulter. Die Genesung gestaltete sich schwierig. Verursacht hatte den Sturz ein im Bereich der Eingangstüre ungünstig platzierter Teppich. Durch die aufwändigen Behandlungen entstanden der Wienerin Kosten, die durch die Krankenversicherung nicht gedeckt waren. Weder der Wiener Stadtschulrat noch der Direktor der Schule fühlten sich für den Ersatz des Schadens zuständig.

Seit dem Schuljahr 2014/15 müssen Lesepatinnen und Lesepaten eine Vereinbarung unterschreiben, mit der jegliche Haftung für Schäden, die im Rahmen ihrer Tätigkeit entstehen, ausgeschlossen wird. In diesem Formblatt wird auf die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstversicherung hingewiesen. Die Stadt Wien teilte Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer aber mit, dass dieser Versicherungsschutz gerade für Lesepatinnen und Lesepaten nicht zur Verfügung steht.

„Ein Haftpflicht- und Unfallschutz für diese engagierten Menschen ist jedenfalls erforderlich“, so Volksanwalt Fichtenbauer. Sollte die Stadt Wien der Meinung sein, dass die bestehende Versicherung diese Tätigkeit nicht deckt, so möge sie sich mit ihrem Versicherungsunternehmen in Verbindung setzten und einen Versicherungsschutz für diese etwa 1.300 Personen ausverhandeln. „Der Nutzen wird die Kosten bei Weitem übersteigen“, ist sich Fichtenbauer sicher.

Mittlerweile ist der erwähnte Teppich in der Schule als Gefahrenquelle verschwunden, ebenso wurde der Eingangsbereich neu gestaltet. In der Sache selbst scheint für den Einzelfall eine Lösung in Sicht: Die MA 56 stellte ihre Bereitschaft dar, eine gemeinsame Lösung zu finden. Eine Gesamtlösung und somit der Versicherungsschutz für die anderen mehr als tausend Lesepaten steht weiterhin noch offen. Man wird sehen, was hier die Zukunft bringt.