Rollenkonflikte des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ)

12. August 2015

Die Beobachtung der Kommission

Die Kommissionen der Volksanwaltschaft beobachten immer wieder Abschiebungen bzw. Rückführungen sowie die Kontaktgespräche, die diesen - für die Betroffenen mitunter sehr einschneidenden Vorgängen - vorangehen. So beobachtete eine Kommission etwa ein Kontaktgespräch des VMÖ mit der Familie M., die nach Moskau abgeschoben werden sollte.

Der Kommission fiel auf, dass ein Mitarbeiter des VMÖ nur den Ehemann und nicht auch die Ehefrau an dem Kontaktgespräch teilnehmen lassen wollte. Er gab eigene Sichtweisen der Situation wieder und fasste Aussagen zusammen, statt sie 1:1 zu übersetzen. Manche Aussagen der Abzuschiebenden übersetzte er „grinsend und mit spöttischem Unterton“.

Bereits mehrmals wurde festgestellt, dass die Qualität der Übersetzungen nicht ausreichend war und die Gefahr von Rollenkonflikten bei gleichzeitiger Funktion als Dolmetschende und Rückkehrberatende besteht. Bedienstete des VMÖ versuchten etwa, Abzuschiebende im Zuge des Kontaktgesprächs davon zu überzeugen, kooperativ gegenüber der Polizei zu sein und Widerstände gegen die Amtshandlung aufzugeben. Wenn eine solche Vorgangsweise auch in guter Absicht erfolgt, so weicht sie dennoch sehr deutlich von einer dolmetschenden Tätigkeit ab.

Das Bundesministerium für Inneres (BMI) vertritt die Meinung, dass bei Rückkehrberatungen oftmals ein Vertrauensverhältnis begründet würde, das sich bei Übersetzungen positiv auswirken könne. Aus diesem Grund greife das BMI bei Kontaktgesprächen gerne auf sprachkundige Bedienstete der mit der Rückkehrvorbereitung beauftragten Organisationen zurück.

Die Volksanwaltschaft stellt fest

Die Bündelung verschiedener Funktionen in einer Person führt zu Rollenkonflikten, weil die Interessen und Ziele in der jeweils ausgeübten Funktion unterschiedlich sind. Während die Rückkehr- und Schubhaftberatung typischerweise von einem Vertrauensverhältnis zur betreuten Person geprägt ist, zeichnet sich eine professionelle Dolmetschertätigkeit durch eine objektive und außerhalb der Interessen der sonst beteiligten Personen stehende Position aus.

Bei der Abschiebung bzw. Rückführung, also einer polizeilichen Amtshandlung, sollte daher strikt darauf geachtet werden, dass eine objektive Übersetzung gewährleistet ist. Unbeschadet des vom BMI angeführten praktischen Aspekts kann eine sprachkundige Rückkehrberaterin bzw. ein sprachkundiger Rückkehrberater eine professionelle Dolmetscherin bzw. einen professionellen Dolmetscher nicht ersetzen.