Kein Visum wegen weltpolitischer Verwicklungen

16. Dezember 2017

Wie geopolitische Konflikte mitunter ins Leben der Bürgerinnen und Bürger hineinspielen, wird am Fall einer jungen niederösterreichischen Familie sichtbar. Die Großmutter, die auf der Halbinsel Krim wohnt und einen internationalen russischen Pass sowie einen nationalen ukrainischen Pass besitzt, wollte ihre fünf Monate alte Enkelin in Österreich besuchen. Doch die dafür nötigen Papiere zu bekommen, ist für sie de facto unmöglich.

Die Frau, die in Sewastopol lebt und russische Staatsangehörige ist, hatte Mitte September 2017 in Russland ein Schengenvisum beantragt. Die Österreichische Botschaft (ÖB) Moskau stellte ihr daraufhin das gewünschte Visum aus. Am selben Tag noch erhielt die Antragstellerin einen Anruf eines Mitarbeiters des Visazentrums, wonach sie ihren Reisepass, in dem sich das Visum befand, zur Annullierung an die Behörde zurücksenden müsse. Weder seien der Frau Gründe für die Annullierung mitgeteilt worden noch habe sie einen Bescheid erhalten.

Das Außenministerium bot zwar eine Rückvergütung der Kosten an, aber der Visastellenleiter der ÖB Moskau stellte fest, dass die ÖB Kiew für die Frau zuständig sei, weil sich ihr Wohnort in der Ukraine befinde. Visaanträge von Personen mit Wohnsitz auf der Krim sollen unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit weiterhin von der zuständigen Vertretungsbehörde in der Ukraine bearbeitet werden, bestätigte auch das Außenministerium in einer Stellungnahme.

Eine Reise in die Ukraine für russische Staatsangehörige, die auf der Krim leben, sei nicht nur beschwerlich, sondern auch gefährlich, betonte die Tochter der Betroffenen in der ORF-Sendung. Davor müsste ihre Mutter noch einen internationalen ukrainischen Reisepass beantragen, da der nationale ukrainische Reisepass nur für Inlandsreisen verwendet werden könne. Ein umständliches, zeitraubendes, wenn nicht sogar aussichtsloses Unterfangen.

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer kritisierte das Verhalten der heimischen Behörden. Es sei deren Aufgabe Lösungen zu finden und nicht Hürden aufzubauen. Die „große Weltpolitik“ könne nicht auf dem Rücken einer Familie ausgetragen werden. „Dass die Ausstellung des Visums durch die ÖB Moskau gleichsam als Anerkennung der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland gewertet werden könnte, ist für niemanden außerhalb der engen und abgehobenen diplomatischen Welt nachvollziehbar“, zeigte sich der Volksanwalt über die Begründung der Vorgangsweise durch das Außenministerium betroffen. Ob eine Lösung gefunden wird, bleibt offen.