Eklatante Defizite in der Wiener Kinder- und Jugendpsychiatrie

23. März 2017

Trotz vieler Appelle sind in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowohl ambulant als auch stationär nach wie vor eklatante Defizite zu beklagen. Aktuell verfügt Wien über 56 Betten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und 20 tagesklinische Plätze. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖGS) sieht jedoch mindestens 128 Betten vor. Das Resultat der Unterversorgung: In Wien sind täglich ein bis zwei Minderjährige zwangsweise auf Erwachsenenstationen untergebracht. Aus Sicht von Volksanwalt Günther Kräuter ist dies „einer der gravierendsten gesundheitspolitischen Missstände unserer Zeit. In 20 Jahren wird man fragen: Wer hat diesen Skandal zu verantworten?“

Die zwangsweise Unterbringung von Kindern und Jugendlichen auf der Erwachsenenstation dauere im Schnitt 11 Tage, der jüngste Patient sei erst 13 Jahre alt gewesen, erklärt Bernhard Rappert vom VertretungsNetz. Patientenanwältin Sigrid Pilz erinnert an ein 17-jähriges Mädchen, das sich im Vorjahr unter tragischen Umständen das Leben genommen hat, Grund war die traumatisierende Unterbringung auf der Erwachsenenpsychiatrie.

Gemeinsam mit Rappert, Pilz und Ernst Berger, Leiter der Kommission 4 der Volksanwaltschaft, fordert Kräuter daher den raschen Ausbau der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung. Die Schaffung von 15 Plätzen im Krankenhaus Rosenhügel müsse vorgezogen und könne binnen Monaten umgesetzt werden. Kommissionsleiter Berger fordert zusätzlich den Ausbau von tagesklinischen Plätzen, um den stationären Bereich zu entlasten: „Das ist kostengünstiger und dem Lebensalltag der Patienten näher.“

Doch mit dem Ausbau des Angebots für Unter-18-Jährige ist es nicht getan. Es müssten zusätzlich dringend Angebote für Menschen zwischen 15- und 26 Jahren entwickelt werden, die den Besonderheiten des Übergangs von der Jugend ins Erwachsenenalter gerecht werden. „Rund die Hälfte aller psychiatrischen Störungen beginnen im Teenageralter“, betont Kräuter.

Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen auf der Erwachsenenstation könnte – neben den allgemeinen gesundheitspolitischen Folgekosten - zudem auch unmittelbar teuer werden, erklärt Rappert. „Das Landesgericht Wien hat bereits klargestellt, dass Minderjährige ein Recht darauf haben, auf einer Spezialstation für Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht zu werden.“ Nun gehe es um die Höhe des Schadenersatzes.

Abschließend konkretisiert Kräuter: „Wir erwarten, dass bis Herbst von Seiten der Stadtpolitik und des KAV-Managements konkrete Konzepte vorgelegt werden.“