EAST Traiskirchen: Bilanz und Ausblick der Kommission

21. Jänner 2016

Die Kommission der Volksanwaltschaft war im Jahr 2015 insgesamt sechs Mal in der Betreuungsstelle Ost in Traiskirchen. Ziel der Besuche war nicht nur, die Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zu überprüfen, sondern auch die Unterbringung Asylwerbender und die Organisation der Unterbringung insgesamt in Augenschein zu nehmen. Sorge bereitete der Volksanwaltschaft der starke Überlag der EAST. In der für ca. 2.000 Personen ausgelegten Einrichtung lebten bis Oktober 2015 zeitweise über 4.000 Personen.

Die Feststellungen der Kommission bezogen sich auf organisatorische Mängel, wie unrichtige Registrierungen oder Mehrfachregistrierungen, was im Ergebnis dazu führte, dass Minderjährige von ihren volljährigen Angehörigen getrennt untergebracht wurden. Ende August bestanden neben den Gebäuden noch zwei Zeltlager auf dem Areal der Betreuungsstelle Ost bzw. dem angrenzenden Teil der Sicherheitsakademie (SIAK). Bei einer im Zeltlager 2 untergebrachten Familie aus Afghanistan mit schwangerer Frau wurde ein fremdes Kind als dem Familienverband angehörig registriert, während eines der eigenen Kinder einer anderen Familie zugezählt wurde.

Zudem berichteten junge Asylwerbende, dass im Zeltlager die Flüchtlinge nicht nach Alter aufgeteilt würden. Jugendliche Flüchtlinge mussten oft mit fremden, erwachsenen Personen in einem Zelt nebeneinander schlafen. Behinderte und schwer kranke bzw. verletzte Asylwerbende mussten ebenso in den Zeltlagern schlafen, der Besuch von Deutschkursen oder der Schule im Hauptgebäude der Betreuungsstelle Ost waren mangels Barrierefreiheit nicht möglich. Dem erhöhten Betreuungsbedarf behinderter Menschen konnte nicht ausreichend Rechnung getragen werden. Die Kommission sprach etwa mit einem Dialysepatienten aus Syrien, mit einem Iraker im Rollstuhl, dem beide Beine ab Beginn des Oberschenkels amputiert worden waren und einem blinden Mann aus Syrien, um dessen Versorgung sich seine Landsleute kümmerten.

Ein großes Problem stellte auch das Haus 4 dar, welches behinderten Menschen gewidmet ist. Sanitäranlagen – vor allem Duschen – sind nicht breit genug, um Rollstühlen samt Betreuungspersonen ausreichende Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Unmittelbar wahrnehmbar in diesem Gebäude war auch ein starker Uringeruch, obwohl der Boden frisch gereinigt war. Nach Einschätzung der Kommission war dies vermutlich darauf zurückzuführen, dass Leib- und Bettwäsche nicht oft genug gewaschen oder gewechselt wurden. Waschmaschinen, um selbst Wäsche zu waschen, standen nicht zur Verfügung. Auch der morgendliche Blick in die Zimmer durch ORS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, um festzustellen, ob es den Untergebrachten im Haus 4 gut geht, waren weder aus menschlichen noch aus professionellen Gesichtspunkten ausreichend.

Die Kommission konnte auch feststellen, dass Asylwerbende – trotz nicht mehr sommerlicher Temperaturen – ohne geeignetes Schuhwerk anzutreffen waren. Grundsätzlich ist zwar ein Schuh- und Bekleidungslager vorhanden, zu vermuten war aber, dass nicht alle Untergebrachten von den Öffnungszeiten und der Ausgabeorganisation informiert waren. Die Ausgabe erfolgt laut einem Ausgabeplan. Demnach sind zu bestimmten Zeiten Kleider und zu anderen Zeiten Schuhe auszufassen und zwar gemäß Plan jeweils von den Bewohnerinnen und Bewohnern eines bestimmten Hauses. Die in den beiden Zeltlagern Untergebrachten schienen in diesen Plänen nicht auf, sie wurden daher nicht berücksichtigt.

Die regelmäßige Abhaltung von Deutschkursen war zwar an dem dafür vorgesehenen Gebäude angeschrieben, die Kurse fanden aber offenbar nicht oder nicht immer zum angekündigten Zeitpunkt statt. Der Schulunterricht wird durch die NMS Traiskirchen, die in der Betreuungsstelle Ost eine Dependance unterhält, organisiert. Ein Blick in die im Hauptgebäude untergebrachten Schulklassen und ein kurzes Gespräch mit der Lehrerin der Kinder im Volksschulalter zeigte, dass der Unterricht mit insgesamt vier Klassen offenbar regelmäßig stattfindet und sehr gerne von den Kindern angenommen wird.

 

Die Volksanwaltschaft stellt fest

Es war bekannt, dass das BMI große Probleme hatte, in den Bundesländern – die grundsätzlich seit Jahren zur Quartierplanung und Bereitstellung verpflichtet wären – ausreichende Quartiere zu finden. Ein derartiges „Massenquartier“ ist jedoch weder menschenrechtlich adäquat noch wünschenswert. In der Zwischenzeit wurde der Belag auf das zulässige Ausmaß von ca. 2.000 Personen gesenkt und die beiden Zeltlager geschlossen.

Dies bedeutet aber auch, dass für Menschen, die Grundversorgung benötigen, andere Unterkünfte gefunden werden müssen. In Wien sind nach Auskunft der LPD Wien derzeit etwa 25.000 Asylwerbende untergebracht, davon befinden sich 14.000 in Grundversorgung. Die meisten anderen Bundesländer waren (und sind) über viele Jahre mit der Erfüllung der damals noch überschaubaren Anzahl von Asylwerbenden säumig, umso kritischer wurde die Situation in diesem Sommer. Die Bundesregierung musste sich daher sogar mit einer gesetzlichen Lösung, dem so genannten „Durchgriffsrecht“ behelfen, um Unterkünfte in Gemeinden nützen zu können. Der Gemeindebund betonte zwar medial regelmäßig, zur Hilfestellung bereit zu sein, Gemeinden hatten aber immer wieder Argumente gefunden, warum gerade sie keine Asylwerbenden aufnehmen konnten. Geeignete Quartiere wurden durch Anwendung raumordnungsrechtlicher, baurechtlicher und feuerpolizeilicher Bestimmungen „blockiert“, was angesichts der stark steigenden Asylantragszahlen mehr als problematisch ist.

Auch wenn mittlerweile in den Bundesländern mehr Quartiere zur Verfügung gestellt werden, so bleibt die Betreuungsstelle Ost doch ein Schwerpunkt in der Betreuung von vor allem, aber nicht nur unbegleiteten minderjährigen Asylwerbenden. Die Volksanwaltschaft war und ist sehr bemüht, für im Zuge der Besuche angetroffene unbegleitete minderjährige Asylwerbende Verlegungen in Quartiere in die Bundesländer, oder zu in Österreich lebenden Verwandten zu erreichen, was bereits in mehreren Fällen gelungen ist. Zahlreiche minderjährige unbegleitete Asylwerber, die die Kommission Ende August und Anfang September in den Zeltstädten vorfand, brachte das Land Niederösterreich nach Einschreiten der Volksanwaltschaft in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe unter. Ein Jugendlicher wurde in die Grundversorgung Steiermark übernommen. Mehrere Minderjährige, die zunächst in Zelten untergebracht waren, bekamen nach Einschreiten der Volksanwaltschaft bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) Baden einen Platz in einem der Häuser.

Vorrangig schien auch die Verbesserung der Zustände im Haus 4 zu sein, in dem behinderte Menschen untergebracht sind. Einerseits ist auf Professionalität und Sensibilität im Umgang mit diesen Menschen, etwa bei der morgendlichen Nachschau durch Bedienstete der ORS, zu achten und andererseits ist Hygiene und barrierefreier Zugang zu allen Räumlichkeiten oberstes Gebot.

Grundlegende organisatorische Abläufe, wie etwa die Zurverfügungstellung von Bekleidung und Schuhwerk, müssen funktionieren. Um dies zu gewährleisten, regte die Kommission bessere Informationstafeln mit verständlichen Piktogrammen an, die in vielen zugänglichen und strategisch günstigen Bereichen der Betreuungsstelle Ost gut sichtbar angebracht und gegebenenfalls auch als Informationsblätter verteilt oder aufgelegt werden.

Eine ausreichende Beschäftigung der Asylwerbenden dient nicht nur dem sozialen Bedürfnis der Menschen, sondern auch einem strukturierten Tagesablauf, der gerade in derartigen Großeinrichtungen sehr wichtig ist. Ein Schulbesuch ist nur möglich, so lange die Schulpflicht besteht. Umso wichtiger ist es, Deutschkurse in ausreichender Form anzubieten und auch tatsächlich durchzuführen. Damit wird die wertvolle Basis für eine spätere intensivere Sprachausbildung gelegt, welche vor allem jenen Asylwerbenden zuteilwerden wird, die in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten werden.

Besonders hervorhebenswert ist der Einsatz des Roten Kreuzes in der Betreuungsstelle Ost, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Freizeit und ihren Urlaub zur Verfügung stellen. Ein Gespräch im September mit dem damals diensthabenden Arzt im gut organisierten Medizinzelt machte deutlich, dass ohne die Unterstützung dieser zivilen Vereine und deren Mitglieder eine medizinische Versorgung in diesem Ausmaß vermutlich gar nicht organisierbar gewesen wäre.