Die Volksanwaltschaft präsentiert ihren Bericht an den NÖ Landtag

23. November 2018

Hohes Beschwerdeaufkommen in Niederösterreich

1.268 Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher wandten sich im Berichtszeitraum 2016 – 2017 mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Sie fühlten sich von der Niederösterreichischen Landes- oder Gemeindeverwaltung nicht fair behandelt oder unzureichend informiert. Die meisten Beschwerden betrafen die Bereiche Raumordnung, Mindestsicherung und Jugendwohlfahrt sowie Gemeindeangelegenheiten. In 188 Fällen stellte die Volksanwaltschaft einen Missstand in der Verwaltung fest. Keinen Anlass für eine Beanstandung sah die Volksanwaltschaft bei 544 Beschwerden, in 538 Fällen war sie nicht zuständig.

Beschwerden über die NÖ Landes- und Gemeindeverwaltung

Im Jahr 2018 leitete die Volksanwaltschaft aufgrund von Beschwerden aus Niederösterreich bis Ende Oktober insgesamt 1.248 Prüfverfahren ein, davon betrafen 764 Beschwerden die Bundesverwaltung und 484 Beschwerden die Landes- und Gemeindeverwaltung.

Präventiver Schutz der Menschenrechte

Die Experten-Kommissionen der Volksanwaltschaft führten im Berichtszeitraum österreichweit insgesamt 1.017 Kontrollen durch. Rund 91 % der Kontrollen entfielen auf den Besuch von Einrichtungen, in denen Menschen angehalten werden. 168-mal wurden Einrichtungen für Menschen mit Behinderung überprüft und 87-mal wurden Polizeieinsätze begleitet. Die Kontrollen erfolgten in der Regel unangekündigt, um einen möglichst unverfälschten Eindruck zu erhalten. Lediglich 6,8 % der Kontrollen waren angekündigt.

Im Berichtszeitraum wurden in Niederösterreich insgesamt 185 Kontrollen durchgeführt, davon entfielen 184 auf Besuche in Einrichtungen und eine auf die Beobachtung von Polizeieinsätzen. Im laufenden Jahr 2018 besuchten die Kommissionen bis Ende Oktober in Niederösterreich insgesamt 85 Einrichtungen.

Geschäftsbereich Dr. Fichtenbauer  –   Gemeinde bleibt trotz wiederholter Hundeattacken untätig

Bei einem Spaziergang wurden ein Mann, seine Frau, seine Tochter und sein an der Leine geführter Hund von vier freilaufenden Schäferhunden angegriffen und verletzt. Obwohl es schon in der Vergangenheit Vorfälle mit diesen Hunden gegeben hatte, blieb die Gemeinde untätig. Der Mann wandte sich an die Volksanwaltschaft.

Der Bürgermeister der Marktgemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl argumentierte, dass die Gemeinde erst durch Rücksprache mit dem Amtstierarzt von den früheren Vorfällen erfahren habe. Die Vorkommnisse seien bei der Polizeiinspektion Wöllersdorf angezeigt worden, diese hätte die Akten jedoch nur an die BH Wiener Neustadt weitergeleitet. Weder die Polizei noch die BH hätten die Gemeinde informiert.

Im NÖ Hundehaltegesetz besteht weder für Polizeiorgane noch für die BH eine Verpflichtung, die Gemeinde als Hundehalte-Behörde zu verständigen, sofern keine rechtskräftige Bestrafung vorliegt.

„Obwohl die Hunde seit 2012 wiederholt Menschen und Tiere angegriffen und teils schwer verletzt hatten, stellte die Gemeinde erst nach Einschreiten der Volksanwaltschaft im Dezember 2016 die Auffälligkeit der Hunde fest. Erst dadurch gilt im gesamten Ortsgebiet die Maulkorb- und Leinenpflicht für die Hunde“, kritisiert Fichtenbauer.

Der Hundehalter verlegte seinen Hauptwohnsitz in eine andere niederösterreichische Gemeinde und entzog sich so weiteren Veranlassungen – etwa einem Hundehalteverbot. Die Feststellung der Auffälligkeit von Hunden bezieht sich nur auf das eigene Gemeindegebiet. Wenn die Halterin oder der Halter in eine andere Gemeinde zieht, gelten die Beschränkungen der ehemaligen Wohngemeinde nicht mehr. Darüber hinaus besteht auch keine gemeindeübergreifende Informationspflicht.

„Es kann nicht sein, dass Halterinnen und Halter auffälliger Hunde sich durch Wohnsitzwechsel allfälligen Veranlassungen entziehen und so andere Menschen und Tiere gefährden. Positiv ist anzumerken, dass die Niederösterreichische Landesregierung auf Anregung der Volksanwaltschaft eine gesetzliche Melde- und Informationspflicht im Hundehaltegesetz in Aussicht gestellt hat“, so Fichtenbauer.

Geschäftsbereich Dr. Kräuter –  „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe: Evaluierungsstudie endlich auf den Tisch!

Aufgrund der aktuellen Diskussion erneuert Volksanwalt Günther Kräuter seine Warnung vor einer „Verländerung“ der Kinder und Jugendhilfe. Dadurch würden Ungleichbehandlungen und Ungerechtigkeiten verschärft. Kräuter: „Es ist nicht einzusehen, dass Kinder in Österreich je nach Bundesland unterschiedliche Entwicklungschancen vorfinden.“ Wie die Volksanwaltschaft in ihrem Sonderbericht zum Thema „Kinder in öffentlichen Einrichtungen“ dargestellt hat, gibt es bereits jetzt erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern:

-           Unterschiedliche Anforderungen in sozialpädagogischen Einrichtungen (etwa bezüglich Gruppengrößen, Ausbildung des Personals, Betreuungsschlüssel und Bewilligungsvoraussetzungen)

-           Unterschiedliche Regelungen bei ambulanten Hilfen

-           Uneinheitliche Regeln für Pflegeeltern

Durch eine „Verländerung“ werden diese Unterschiede noch größer. Vorläufig gibt es zwar im Parlament noch keine Verfassungsmehrheit, eine immer wieder als Lösung angepriesene 15a-Vereinbarung sei jedoch kein Ersatz für bundesweit einheitliche Regeln, betont Kräuter: „Warum kompliziert zusammenflicken, was man klar und einheitlich regeln könnte?“ Kräuter erinnert daran, wie lange es gedauert habe, um bundesweit einheitliche Ausgehzeiten zustande zu bringen.

Zudem sollten mittlerweile die Ergebnisse einer Evaluierungsstudie zum aktuellen Kinder- und Jugendhilfegesetz vorliegen. Kräuter: „Ich habe die Bundesministerin ersucht, mir die Studie zu übermitteln.“

Geschäftsbereich Dr. Brinek –  Nebengebäude und ihre Nutzung

Immer wieder für Ärger sorgt die zweckwidrige Nutzung von Nebengebäuden. Ein Nebengebäude ist laut Niederösterreichischer Bauordnung ein Gebäude mit einer bebauten Fläche bis zu 100 m², das oberirdisch nur ein Geschoß aufweist, keinen Aufenthaltsraum enthält und seiner Art nach dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet ist, unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich besteht (z. B. Kleingarage, Werkzeughütte); es kann auch unmittelbar neben dem Hauptgebäude stehen.

Zweckwidrige Nutzung: Geräteschuppen wird zum Büro mit Wohnmöglichkeit

In einem Fall in der Stadtgemeinde Kirchschlag sprach die Baubeschreibung beispielsweise eindeutig von einem Gerätehaus. Bei der baubehördlichen Überprüfung entpuppte sich das Nebengebäude jedoch als Wohnhaus mit ausgebauter Mansarde, einer Küche, einem Waschraum und einem WC.

Schon aus dem Einbau eines Küchenspülbeckens ergab sich, dass das Gebäude nicht als Gerätehütte bzw. Abstellraum verwendet wurde. Der Einbau einer Hochebene mit Leiterzugang ließ die Errichtung einer Schlafstätte erkennen. Die ordentliche Ausstattung des Gebäudes mit Vordach und einer Vorrichtung zum Sammeln von Abfällen unterstrich die Nutzung des Gebäudes als Wohn- und Wirtschaftsgebäude.

Zwar untersagte der Bürgermeister bereits 2015 per Bescheid die Wohnnutzung, die Gemeinde zog ihr Vollstreckungsersuchen bei der BH Wiener Neustadt aber letztendlich zurück. Es kam weder zu weiteren rechtlichen Schritten, noch wurden Verwaltungsstrafen verhängt. Da eine eindeutige zweckwidrige Nutzung des Nebengebäudes als Hauptgebäude vorlag, war eine solche Vorgangsweise völlig unbegründet.

Gesetze müssen eingehalten werden

Ähnlich verhält es sich bei einem Nebengebäude in Egelsee. Es ist nahezu gleich groß und hoch wie das Hauptgebäude und als Geräteraum definiert. Der Besitzer nützt sein „Nebengebäude“, das direkt an das Nachbarhaus angrenzt, jedoch als Lager für sein Hafner-Unternehmen. Die Nachbarsfamilie leidet insbesondere unter der Lärmbelästigung, die durch die tägliche Be- und Entladetätigkeit verursacht wird.

„Wie ernst nehmen die Behörden in Niederösterreich die Baugesetze eigentlich?", fragt sich Volksanwältin Brinek und appelliert an die Gemeinden, die geltenden rechtlichen Regelungen entsprechend umzusetzen: „Der Nichteinhaltung müssen entsprechende Sanktionen folgen. Die Behörden können nicht jahrelang tatenlos zusehen. Bauten haben der Rechtsordnung zu entsprechen.“

Um Auslegungsschwierigkeiten in Zukunft zu vermeiden, regte die Volksanwaltschaft an, die Niederösterreichische Bauordnung zu novellieren. „Entgegen erster Zusagen wurde bedauerlicherweise unsere Anregung vom niederösterreichischen Landtag bisher nicht aufgegriffen“, kritisiert Brinek.

 

Weitere Fälle aus Niederösterreich finden Sie in der Presseunterlage sowie im aktuellen Niederösterreich Bericht der Volksanwaltschaft.