Der Amtsarzt als Papiertiger

3. April 2015

Ihre Verärgerung über den Amtsarzt war groß: Die „Untersuchung“ beschränkte sich auf eine Einsichtnahme in die zwei Monate alte Ambulanzkarte vom Unfalltag. Weder untersuchte sie der Arzt, noch stellte er ihr auch nur eine einzige Frage, sondern entließ sie sofort wieder. Obwohl die Verletzte nicht in der Lage war ohne fremde Hilfe zu kommen, stellte der Arzt eine leichte Körperverletzung von nicht mehr als 14-tägiger Dauer fest.

Die Betroffene beschwerte sich zunächst beim Chefarzt der Landespolizeidirektion Wien und legte ihm Befunde ihres Arztes vor. Nachdem ihr vom obersten Arzt der Wiener Polizei bestätigt worden war, dass Weichteilverletzungen immer als leichte Körperverletzung zu gelten haben, wandte sie sich an die Volksanwaltschaft.

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer holte zwei Stellungnahmen der Bundesministerin für Inneres ein. Es blieb dabei: Der Amtsarzt habe sich ausschließlich auf die Ambulanzkarte des Unfallkrankenhauses stützen können, da eine Prellung eben immer als leichte Körperverletzung befundet werde. „Dieser Rechtsstandpunkt ist nicht haltbar. Der Amtsarzt hätte konkret zu untersuchen gehabt, ob Unfallfolgen mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit vorliegen“, stellt Volksanwalt Fichtenbauer klar. Nach der Strafprozessordnung war die Polizei verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. „Die Volksanwaltschaft wird nun Beschwerden über die Sachverständigengutachten der Polizeiärzte besonders genau prüfen“, kündigt Volksanwalt Fichtenbauer an.