Berufliche Integration für Menschen mit Beeinträchtigung

28. Oktober 2017

„Menschen mit Behinderungen müssen selbstbestimmt leben können.“, lautete der gemeinsame Tenor bei einer Pressekonferenz in der Volksanwaltschaft vergangene Woche. Einig war man sich vor allem, dass die Feststellung der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit bei jungen Menschen mit Behinderung ein großes Problem darstellt.

Im Fall der 21-jährigen Frau stellt sich das Problem wie folgt dar: Nach dem Besuch der Volks-, Haupt- und polytechnischen Schule und mehreren positiv absolvierten Praktika wurde sie, aufgrund ihrer Lernschwierigkeiten und ihrer körperlichen Beeinträchtigung, von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) für dauerhaft erwerbsunfähig erklärt. Obwohl sie gerne arbeiten würde, bleibt ihr dieser Wunsch verwehrt.

In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ diskutiert Volksanwalt Dr. Günther Kräuter mit dem Vertreter des BMASK, Sektionschef Mag. Roland Sauer und einem Vertreter des AMS Salzburg, Mag. Gottfried Lochner.

Volksanwalt Kräuter verweist darauf, dass der Fall der jungen Frau stellvertretend für viele ähnliche Fälle stehe. Dabei handelt es sich um junge Menschen, die aufgrund ihrer „originären“ Behinderung für dauerhaft erwerbsunfähig erklärt werden und in die Sozial- und Behindertenhilfe gedrängt werden.

Sektionschef Sauer verweist auf die gesetzliche Grundlage: wer arbeitsunfähig sei, sei kein Kunde des AMS. Denn mit der von der PVA getroffenen Feststellung, dass die Arbeitsfähigkeit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) nicht vorliegt, weist das AMS jegliche Zuständigkeit zur Vermittlung und Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen von sich. Gottfried Lochner vom AMS Salzburg betont, dass man sich gerade bei jungen Menschen bei der Vermittlung Mühe gebe, die Feststellung der Arbeitsfähigkeit durch die PVA sei das letzte Mittel.

Laut Sauer könnte im vorliegenden Fall die sogenannte Arbeitsassistenz Abhilfe leisten. Sollte die junge Frau eine Arbeitsstelle finden, könnte das Sozialministeriumsservice eine Arbeitsassistenz zur Verfügung stellen und finanzieren, die sie in ihrem Job unterstützen würde.

Volksanwalt Kräuter nennt das jetzige System „defizitorientiert“: „Man sucht eher nach Problemen, als zu schauen, wo man fördern oder helfen könnte. Hier brauchen wir eine Trendwende.“ Um die „Abstempelung der dauerhaften Erwerbsunfähigkeit abzuschaffen“ braucht es letztendlich eine gesetzliche Änderung des AlVG.

 

Nachgefragt: Intergeschlechtlichkeit

Menschen, die entweder genetisch und/oder anatomisch  und hormonell nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden können, werden als intergeschlechtlich bezeichnet. In den meisten Fällen wird kurz nach der Geburt eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt, was die Betroffenen in ihrem späteren Leben vor große Probleme stellt.

Jedes Jahr werden in Österreich rund 25 Kinder geboren, die anatomisch weder männlich noch weiblich sind – intergeschlechtliche Personen. Nach dem Personenstandsgesetz ist das Geschlecht einer Person verpflichtend einzutragen. Dabei ist eine Eintragung wie etwa „inter“ gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Medizin ist bisher darauf ausgerichtet, Personen, die intergeschlechtlich geboren werden, frühzeitig zu operieren – eine sogenannte geschlechtsangleichende Operation durchzuführen.

Nach der Sendung hat sich die Volksanwaltschaft nochmals an das Gesundheitsministerium gewandt, um die Einrichtung einer Arbeitsgruppe einzumahnen. Erfreulicherweise fand bereits ein erstes Expertinnen- und Expertengespräch statt. Eingeladen wurden zu dieser Sitzung unter anderem Vertreter der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, aber auch Betroffene.

Im kommenden Jahr soll außerdem eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über eine mögliche rechtliche Diskriminierung von intergeschlechtlichen Personen in Bezug auf die Eintragung eines dritten Geschlechts ergehen. In Deutschland hat kürzlich das Bundesverfassungsgericht ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister gefordert.